Protokoll der Sitzung der Strafrechtskommission am 5. Juni 1934
Bericht des Vizepräsidenten Fritz Grau in der Sitzung der Strafrechtskommission am 5. Juni 1934 über „Rassenschutz“ und gesellschaftliche Absonderung der Juden:
Rassenschutz
Berichterstatter Vizepräsident Grau:
Es ist nicht ganz leicht, sich in der heutigen Zeit aussenpolitischer Spannung über einen strafrechtlichen Rasseschutz in Deutschland schlüssig zu machen. Denn wir wissen, welche politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten schon aus den unverbindlichen Vorschlägen der Preussischen Denkschrift6 seinerzeit erwachsen sind, und es kann nicht zweifelhaft sein, daß es unsere heutige aussenpolitische Lage nicht gestattet, die bestehenden Wünsche in dieser Richtung gesetzgeberisch, insbesondere strafrechtlich, restlos zu erfüllen.
Wenn man die Frage beantworten will, ob man überhaupt in ein neues Strafgesetzbuch etwas von Rasseschutz bringen soll, dann wird man sich, wie auch Sie, Herr Reichsminister, schon betonten, zunächst einmal darüber klar werden müssen, welche strafrechtlichen Vorschriften wir für angezeigt halten würden, wenn uns nicht, wie es zurzeit leider der Fall ist, die Hände gebunden wären. Erst dann kann man die Frage beantworten, von welchen Tatbeständen man unter den gegebenen Umständen vielleicht absehen soll und welche Tatbestände vielleicht trotz der vorhandenen Schwierigkeiten Aufnahme in ein Strafgesetzbuch finden können.
Sieht man einmal, wie schon gesagt, von den aussenpolitischen Rücksichten ab, so wird man von folgendem auszugehen haben: Das Parteiprogramm bestimmt, daß Staatsbürger nur deutschstämmige Menschen sein können und daß die Fremdrassigen unter einem Gastrecht stehen sollen. Das Programm will also den neuen deutschen Staat auf rassischer Grundlage aufgebaut wissen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ja im letzten Jahre schon sehr viel geschehen. Man hat sich bemüht, die fremdrassigen Elemente aus dem Volkskörper auszumerzen, einmal dadurch, daß man erstrebt hat, sie einflußlos zu machen, sie aus der Staatsführung und aus sonstigen einflußreichen Stellungen und Berufen herauszudrängen. Ich erinnere an das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, an die Novelle zum Reichsbeamtengesetz, an die Bestimmungen über die Beschränkung der Zahl der jüdischen Rechtsanwälte und an Vorschriften über die Beschränkung der Zahl jüdischer Studenten. Man hat auch durch das Gesetz vom 14. Juli 1933 versucht und erreicht, wenigstens einen Teil derjenigen fremdrassigen Elemente, die in den letzten 14 Jahren nur zu zahlreich aus dem Osten eingewandert waren und eingebürgert worden sind, wieder auszubürgern und ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit wieder abzuerkennen. Neben diesen negativen Maßnahmen bestehen auch zahlreiche positive Maßnahmen zur rassischen Aufzucht. Ich erinnere an die eugenischen Maßnahmen, an den ganzen Fragenkomplex um die Gewährung der Ehestandsdarlehen, an das Gesetz zur Verhütung des erbkranken Nachwuchses, an die Novelle zum Strafgesetzbuch über die Entmannung gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher. - Ich denke an die sozialen Maßnahmen, vor allem das Reichserbhofgesetz, wodurch erstrebt und zum guten Teil erreicht worden ist, das Volk wieder zum Ursprung seiner Rasse, zum Bauerntum, zurückzuführen und es dort wieder zu verankern. Ich erinnere an das Gesetz gegen Mißbräuche bei der Eheschließung und Annahme an Kindesstatt, wodurch wieder die Heiligkeit und Reinheit der Familie betont worden ist, die von Annahmen an Kindesstatt und Eheschließungen aus rein geschäftlichen Gründen freigehalten werden muss.
All diese Maßnahmen haben uns zweifellos einen Schritt vorwärts gebracht; aber sie haben nicht erreicht und konnten nicht erreichen eine wirkliche Abkapselung der fremdrassigen Elemente in Deutschland von den deutschstämmigen Menschen. Ein solches Gesetz konnte aus aussenpolitischen Gründen nicht ergehen, - ein Gesetz, das jede geschlechtliche Vermischung zwischen Deutschstämmigen und Fremdrassigen gesetzlich verhinderte. Nun kann man vielleicht sagen - und da komme ich auf die zweite Frage, die der Herr Reichsminister gestellt hat -, daß dieses Ziel auch durch Erziehung und Aufklärung ohne ein ausdrückliches Gesetz allmählich erreicht werden könne. Auch andere Völker, könnte man sagen, hätten ein solches Ziel im wesentlichen durch gesellschaftliche Absonderung erreicht. Dies ist aber doch nur bedingt richtig. Bei den anderen Völkern - ich denke in erster Linie an Nordamerika, das ja sogar auch Gesetze in dieser Richtung hat, - handelt es sich um ein anderes Problem, nämlich um das Problem der Fernhaltung der Angehörigen farbiger Rassen, ein Problem, das bei uns in Deutschland so gut wie keine Rolle spielt. Bei uns ist das Problem ganz scharf abgestellt auf die Juden und ihre dauernde Fernhaltung, da sie ganz zweifellos einen Fremdkörper im deutschen Volke darstellen. Nur auf dem Wege gesellschaftlicher Absonderung und Abtrennung wird dieses Ziel nach meiner Überzeugung so lange nicht erreicht werden, solange die Juden in Deutschland noch eine ganz ausserordentliche wirtschaftliche Macht darstellen. Solange sie noch in unserem deutschen Vaterland wirtschaftlich in dieser Weise wie jetzt mitzusprechen haben, solange sie noch die schönsten Autos, die schönsten Motorboote haben, solange sie auf allen Vergnügungs- und Erholungsplätzen und überall dort, wo es teuer ist, eine erhebliche Rolle spielen, so lange glaube ich nicht, daß man sie ohne Gesetz wirklich vom deutschen Volkskörper absondern kann. Dies kann nur durch positive gesetzliche Maßnahmen geschehen, die jegliche geschlechtliche Vermischung eines Juden mit einem Deutschen verbieten und unter schwere Strafe stellen.
Es besteht deshalb, wenn man das Parteiprogramm überhaupt erfüllen will, ein Bedürfnis, ein gesetzliches Ehehindernis zu schaffen und auf diesem aufbauend jegliche Art der geschlechtlichen Vermischung zwischen Juden und Deutschstämmigen unter Strafschutz zu stellen, weiterhin als letztes Endziel, entsprechend dem Parteiprogramm, die Juden auszubürgern und unter ein Gastrecht zu stellen. Denn es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß alle Maßnahmen zur Aufzucht der Rasse unnütz und erfolglos bleiben werden, solange es den Juden noch gestattet ist, unsere Rasseangehörigen zu verseuchen. Die Juden stellen ein ganz unerhörtes orientalisches Rassegemisch dar, das, wie die Geschichte lehrt, überall, wo es hinkommt, die Völker zu sich herunterzieht und die Rassen vernichtet.
Dieses Kernstück des Rassenschutzes, Ehehindernis, strafrechtliches Verbot der Vermischung, Ausbürgerung, kann zur Zeit zweifellos nicht erreicht werden, und es erhebt sich nun die dritte Frage, die der Herr Reichsminister gestellt hat. Wenn man von diesem Kernpunkt absieht, ist es zweckmäßig und besteht ein Bedürfnis dafür, nun noch, wenn ich so sagen darf, in Nebenpunkten einen strafrechtlichen Rasseschutz zu gewähren?
Die Preußische Denkschrift sieht ja, abgesehen von der geschlechtlichen Vermischung, drei Tatbestände vor, einmal die Verletzung der Rassenehre. Sie will denjenigen bestraft haben, der es als Deutscher unternimmt, unter gröblicher Verletzung des Volksempfindens und in schamloser Weise öffentlich Verkehr mit Angehörigen farbiger Rassen zu pflegen. Ich darf daran erinnern, daß gerade dieser Tatbestand zu außenpolitischen Schwierigkeiten besonderer Art geführt hat. Man hat bewußt oder unbewußt übersehen, daß der Tatbestand dadurch sehr eingeschränkt ist, daß in schamloser Weise öffentlich mit Angehörigen farbiger Rassen verkehrt werden muß. Trotzdem hat gerade dieser Tatbestand zu Vorstellungen von diplomatischen Vertretern farbiger Rassen geführt und hat Schwierigkeiten schon auf Grund der Vorschläge der Denkschrift gemacht.
Die beiden anderen Tatbestände, die die Denkschrift vorsieht, bestehen darin, daß eine Blankettvorschrift gegeben wird, wonach strafbar ist, wer gegen die sonstigen zur Reinerhaltung und Veredelung der deutschen Blutsgemeinschaft ergangenen gesetzlichen Vorschriften verstößt, und eine weitere Blankettvorschrift, wonach jedes Entgegenwirken den zur Aufklärung des deutschen Volkes über Reinerhaltung und Veredelung seiner Blutsgemeinschaft erfolgten Maßnahmen des Reiches oder der Länder, wenn es böswillig geschieht, bestraft werden soll. Ich darf daran erinnern, daß dieser letzte Tatbestand bereits von unserem § 169 in der jetzigen Fassung teilweise erfaßt wird, wonach wir jede öffentliche Aufforderung zum Verstoß gegen Gesetze, gegen Anordnungen der Regierung und auch gegen bloße Empfehlungen der Regierung unter Strafe gestellt haben. Wenn ein wirklicher Rasseschutz, wie ihn das Parteiprogramm fordert, in das Strafgesetz hineinkäme, dann würde ich allerdings nicht auf diesen generellen Tatbestand verweisen, sondern den Rasseschutz restlos und deutlich hier im einzelnen regeln. Ich würde, abgesehen von dem Verbot der geschlechtlichen Vermischung, vorschlagen, jede Sabotage der Volksaufklärung über Rassefragen unter Strafe zu stellen, weiterhin auch alle Verstöße gegen Gesetze und Anordnungen, die zur Veredelung und Reinerhaltung der Rasse ergangen sind.
Wenn man davon ausgeht, daß die Kernfrage des Rasseschutzes zurzeit strafrechtlich nicht gelöst werden kann, dann kann man zweifelhaft sein, ob irgendwelche Nebenpunkte unter strafrechtlichen Schutz gestellt werden sollen, oder ob es vielleicht praktischer ist, in diesem Falle im Strafgesetzbuch überhaupt nichts auf dem Gebiete des Rasseschutzes zu sagen. Diese Frage hängt, wie gesagt, eng mit der Politik zusammen und ist von hier aus kaum endgültig zu entscheiden. Ich persönlich neige dazu, unter den gegebenen Umständen vorläufig gar nichts über den Rasseschutz in das Strafgesetzbuch zu bringen, weil ich mir sage, daß das Wichtigste zur Reinerhaltung der Rasse nicht gebracht werden kann. Einer späteren Gesetzgebung wird es dann überlassen bleiben, den strafrechtlichen Rasseschutz befriedigend und restlos zu regeln.