Schreiben des Kampfbundes für deutsche Kultur an den kommissarischen preußischen Kultusminister Rust
Der Kampfbund für deutsche Kultur fordert am 18. März 1933 vom preußischen Kultusminister den Ausschluss von Juden aus dem Kulturbetrieb des Ruhrgebiets:
Sehr geehrter Herr Minister!
Ich bestätige meine heutige fernmündliche Unterredung wie folgt:
1. Zusammenarbeit zwischen Kampfbund und Partei
Die am Sitz der Landesleitung Nord-West arbeitende Ortsgruppe Essen des Kampfbundes hatte gestern eine gemeinsame Sitzung mit der Abteilung für Volksbildung des Kreises Essen der NSDAP. Es nahmen hieran auch die Gauleiter Essen, Abteilung Volksbildung, sowie die Landesleitung des Kampfbundes mit einigen engeren Mitarbeitern und Landesfachgruppenleitern teil. Es wurde völlige Einigung darüber erzielt, dass nunmehr, nachdem nach siegreich beendetem Wahlkampf bei der Partei Kräfte für die kulturelle Arbeit frei werden, die NSDAP sich geschlossen hinter den Kampfbund stellt. Auch die Kampfbundmitglieder waren in letzter Zeit durch intensive Mitarbeit bei den Wahlkämpfen zum größten Teil gehindert, in einem solchen Maße sich für den Kampfbund einzusetzen, wie es nunmehr möglich ist. Es wurde von den Vertretern der Partei rückhaltlos die Richtigkeit des Vertragsverhältnisses zwischen der Reichsleitung des KFDK und der Reichsleitung der NSDAP Abteilung Volksbildung anerkannt. Danach ist es Aufgabe der Abteilung Volksbildung der NSDAP, nur im Rahmen der eigenen Partei künstlerische oder literarische Unternehmungen zu veranstalten, während alle öffentlichen Veranstaltungen dieser Art Sache des Kampfbundes sind. Im Einzelnen auf diese Frage einzugehen erübrigt sich wohl im Rahmen dieses Schreibens. Praktisch wurde die Zusammenarbeit dadurch sichergestellt, dass die Fachgruppenleiter des Kampfbundes zugleich Fachberater bei der Partei geworden sind. Bei einer ganzen Anzahl der Ortsgruppen meines Gebiets, vornehmlich im Gau Westfalen-Nord, aber auch in Westfalen-Süd bestand bereits seit langem engste Zusammenarbeit mit den maßgebenden Parteistellen. Nunmehr soll in dem gestern für Essen festgelegten Sinne die Zusammenarbeit einheitlich im ganzen Landesgebiet Nord-West durchgeführt werden. Ich werde, soweit ich dies nicht selber wahrnehmen kann, Herrn Dr. Reismann-Grone, Essen, der Ihnen ja bekannt ist, mit diesem besonderen Auftrag zu den einzelnen Ortsgruppen entsenden. Der Landesleitung steht seit langem ein Stab von gut eingearbeiteten und ehrenamtlichen Mitarbeitern zur Verfügung, die sich im Sinne unseres Reichsorganisationsplanes in die einzelnen Aufgabengebiete teilen und jeden an sie herantretenden Ansprüchen auch in verwaltungstechnischer Hinsicht gewachsen sind.
Eine Anzahl geeigneter Fachgruppenleiter - ich nenne hier nur Pg. Kunstmaler Willi Kelter Duisburg für bildende Kunst, der zugleich Essener Gauleiter für Volksbildung ist, Rieh. Euringer für Schrifttum, Professor Aug. Weweler Detmold für Musik, Dr. Litterscheid von der Nationalzeitung für Theaterwesen - verbürgen m. E. einen einwandfreien sachgemäßen kulturellen Kampf ohne irgendwelchen Dilettantismus.
2. Säuberung der Kultur- und Kunststätten
Bis zum 20. d. Mts. bekomme ich von sämtlichen Fachgruppenleitern eine Liste der im Gebiet Nord-West zunächst zu beseitigenden künstlerischen und sonstigen Kräfte. Ich teilte Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, schon am Fernsprecher mit, dass der erste Dirigent der Essener Oper, der Jude Cohen, sofort sein Amt niederlegen muss. Wir bitten Sie, sofort an die zuständige Stelle herantreten zu dürfen, um mit allen Mitteln die unverzügliche Beseitigung dieses Mannes zu erreichen. Ebenso ist vom Essener Schauspiel sofort der getaufte Jude Raabe zu entfernen. Für Dortmund käme die Beseitigung des jüdischen Opernkapellmeister Wolfes in Frage, wenn er auch mit Pfitzner eng befreundet ist, und des Schauspielers Weltner. Für Duisburg nenne ich den Namen Hanns van Loewen. Ich bin mir darüber klar, dass dies nur ein kleiner Anfang ist und beispielsweise am Essener Schauspiel mindestens 10 bis 12 Kräfte jüdischen oder sonstwie fremden Blutes oder einer im verderblichen Sinne wirkenden kommunistischen Gesinnung überfällig sind, aber nicht von heute auf morgen beseitigt werden können, es sei denn, man wolle den Theaterbetrieb vorübergehend stillegen. Es ist jedoch Eile geboten, da im Laufe der nächsten 14 Tage die neuen Engagements abgeschlossen werden.
Auch über die Lehrkräfte an höheren Schulen, Kunstschulen u. a. m. werde ich eingehend berichten. Ich erwähne hier nur den an einer hiesigen Oberrealschule tätigen jüdischen Studienrat Levy, der in verderblichster Weise auf die Schüler einwirkt.
3. Staatskommissar für Deutsche Kultur in Rheinland und Westfalen
Ich betonte schon am Fernsprecher die dringende Notwendigkeit der Einrichtung einer solchen Stelle, über die sich die Gauleitung für Volksbildung Essen und die Landesleitung Nord-West einig sind. Das hiesige Gebiet ist so dicht besiedelt, es liegt Theater an Theater, Schule an Schule, ein Museum neben dem anderen. Jede größere oder mittlere Stadt hat ein oder mehr bedeutende Orchester u. s. w. Es wird eine solche Fülle von Aufgaben sich in kürzester Zeit ergeben, dass ein Staatskommissar, der für einige Monate mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet würde, gestützt auf die Fachgruppen des Kampfbundes und den dahinterstehenden Abteilungen für Volksbildung äußerst segensreiche und dringend notwendige Arbeit leisten könnte. Wir empfehlen ganz Rheinland und Westfalen, das Land Lippe und den Regierungsbezirk Osnabrück diesem Kommissar zu unterstellen. Dies entspricht in der Organisation des Kampfbundes den Landesleitungen Rhein-Saar und Nord-West. Ich betone, dass ich mich wegen der Dringlichkeit mit meiner benachbarten Landesleitung noch nicht ins Benehmen gesetzt habe, ohne mich damit irgendwie über diese Stelle hinwegsetzen zu wollen, mit der ich im besten Einvernehmen arbeite.
Der gleiche Vorschlag ist aus Kreisen der hiesigen Partei bereits den Reichsministern Göbbels und Goering unterbreitet worden unter Nominierung des Kunstredakteurs der Rhein. Westf. Zeitung Dr. Paul Joseph Cremers, des Verfassers der Marneschlacht, für diesen Posten. Dr. Cremers soll gesinnungsmässig vollständig auf dem Boden des Nationalsozialismus stehen und wird sicherlich immer eine sehr wertvolle Kraft im kulturellen Kampfe darstellen. Wir möchten jedoch mit Zustimmung der Essener Gauleitung für Volksbildung einen weiteren Vorschlag machen. Es handelt sich um einen seit Jahrzehnten im ganzen hiesigen Gebiet bekannten Vorkämpfer für deutsche Kunst und deutsche Kultur, der zugleich auch Parteigenosse der NSDAP ist, Herrn Dr. Reismann-Grone, Essen. Er ist übrigens ja bei der R. W. Z. langjähriger Vorgesetzter von Dr. Cremers gewesen und wird ihn sicherlich an maßgebender Stelle zur Mitarbeit heranziehen.
4. Gebietseinteilung des Kampfbundes
Wir sprachen, sehr geehrter Herr Minister, heute morgen noch kurz über den Umfang des Landesgebiets Nord-West. Ich wiederhole, dass dieses Gebiet einschließt die politischen Gaue Essen sowie Westfalen-Nord und Westfalen-Süd, also die ganze Provinz Westfalen und Lippe-Detmold, sowie auf ausdrücklichen Wunsch der Reichsleitung auch noch den Regierungsbezirk Osnabrück. Diese Gebietseinteilung ist s. Zt. nach meinen Vorschlägen von Herrn Rosenberg18 vorgenommen worden, als die Westdeutsche Leitung Darmstadt aufgelöst wurde. Es ist dies von mir als geborenem Essener und genauen Kenner der hiesigen Verhältnisse im bewussten Gegensatz zu der politischen Einteilung in Landesinspektionen geschehen, weil die Provinzgrenze Rheinland Westfalen eine für die heutigen wirtschaftlichen, siedlungstechnischen und nicht zuletzt auch kulturellen Verhältnisse anorganische Zerschneidung eines Gebiets darstellt, das unter allen Umständen zusammengehört.
5. Ermächtigungsgesetz
Sie baten mich, sehr geehrter Herr Minister, am Mittwoch oder Donnerstag der kommenden Woche wegen des zu erwartenden Ermächtigungsgesetzes nochmals an Sie heranzutreten und ggf. nach dort zu kommen. Ich weile nun sowieso dienstlich in diesen Tagen in Berlin und wäre Ihnen für eine kurze Mitteilung dankbar, wann eine persönliche Aussprache stattfinden könnte.
Ich gebe Herrn Reichsminister Goering, mit dessen Ministerium ich heute morgen, wie erwähnt, ebenfalls sprach, sowie dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Göbbels sowie der Reichsleitung des Kampfbundes in München Durchschlag dieses Schreibens.
Heil Hitler