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Chronik und Quellen
1933
Januar 1933

Januar 1933

Das Jahr 1933 begann mit Blick auf die Chancen der angeschlagenen Republik von Weimar durchaus optimistisch. Am 1. Januar äußerte jedenfalls die liberal orientierte „Frankfurter Zeitung“ mit Blick auf die Reichstagswahl im November 1932 und die Jahreswende die Meinung, dass der Angriff der Nationalsozialisten auf den Staat „abgeschlagen“ und im Deutschen Reich „kein Diktieren gegen die öffentliche Meinung“ möglich sei. „Das Leben selbst hat uns gezwungen, zu dem zurückzukehren, was so viele leichten Herzens über Bord zu werfen bereit waren: zur Vernunft.“

Bekanntlich kam es sehr bald anders, wobei entscheidende Weichen zum endgültigen Aufstieg der NSDAP bereits am 4. Januar 1933 in Köln gestellt wurden: Hier trafen sich im Haus des Bankiers Kurt von Schröder Ex-Reichskanzler Franz von Papen und Adolf Hitler, um über eine Reichsregierung der extremen Rechen zu verhandeln. Diese Zusammenkunft stellte den Auftakt einer Reihe von Geheimgesprächen rechter Kreise da, in denen eine rechtsextreme Regierung unter Führung Adolf Hitlers diskutiert und beschlossen wurde. Dabei ließ Hitler von Beginn an keinerlei Zweifel daran, dass es zentrales Ziel einer solchen Regierung sei, umgehend Juden, Kommunisten und Sozialdemokraten deutschlandweit aus allen verantwortlichen Stellungen zu entfernen.

Nach der deutlich erkennbaren Schwächeperiode im Herbst 1932 maßen die Nationalsozialisten mit Blick auf das öffentliche Meinungsbild den am 15. Januar stattfindenden Wahlen in dem kleinen und politisch unbedeutenden Land Lippe große Bedeutung bei. Die NSDAP erzielte 39,6 Prozent der Stimmen und wurde damit mit neun von 21 Mandaten vor der SPD (7) und der KPD (2) die stärkste Kraft im Landtag. Obwohl die absolute Mehrheit deutlich verfehlt wurde, feierten die Nationalsozialisten das Resultat, dem ein intensiver Wahlkampf mit 16 Auftritten Hitlers vorausgegangen war, als „Sieg von Lippe“. Eine „neue Aufwärtsentwicklung“ sei eingetreten, hieß es nun, und Joseph Goebbels notierte in seinem Tagebuch: „Und ohne Kompromisse in die Macht hinein.“

Derweil wurden die Intrigen der konservativ-nationalistisch gesinnten Clique im Hintergrund fortgeführt, woraufhin die Reichstagsfraktion der DNVP dem parteilosen Reichskanzler Kurt von Schleicher am 21. Januar ihr Vertrauen entzog. Dieser trat daraufhin am 28. Januar mit seinem Kabinett zurück. Nach 57 Tagen war damit der zwölfte Reichskanzler und die 20. Regierung der Weimarer Republik gescheitert und der seit Anfang Januar insbesondere von Franz von Papen vorbereitete Weg frei für eine Regierungsbildung durch Hitler.

Am 30. Januar war es so weit: Um 12.40 Uhr wurden in Berlin offiziell die Berufung Hitlers zum Reichskanzler und die Vereidigung seines Kabinetts bekanntgegeben, dem neben ihm selbst mit Wilhelm Frick und Hermann Göring nur zwei Nationalsozialisten, dagegen acht konservative Minister angehören. Diese offenbar so klaren Mehrheitsverhältnisse trugen zu dem weitverbreiteten Irrglauben bei, auf diese Weise könnten Hitler und die NSDAP „gezähmt“ und neutralisiert werden - eine Sichtweise, die die wahren Machtverhältnisse und die Entschlossenheit des neuen Regimes ignorierte bzw. unterschätzte.

Die nationalen wie internationalen Reaktionen auf die Berufung Hitlers fielen zurückhaltend auf. Das Zentrum verkündete, man wolle ihm gegenüber eine „eiskalte Haltung“ einnehmen, die SPD wollte sich zum „Abwehrkampf“ bereit machen und die KPD rief – erfolglos – zum Generalstreik auf. Und ausgerechnet Erich Ludendorff schrieb prophetisch an Reichspräsident Paul von Hindenburg, mit Hitlers Ernennung werde Deutschland „einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert“, der „die Nation in unfassbares Elend bringen“ werde.

Die Übertragung der Macht auf den neuen Kanzler Hitler feierte das neue Regime mit einem pompösen Auftritt: Der nächtliche Fackelzug, der am 30. Januar in Berlin stattfand, wurde zur ersten großen propagandistischen Inszenierung des Dritten Reichs. Für den beeindruckenden Marsch der SA-Einheiten hatte der neue Innenminister Frick nicht nur die Bannmeile im Regierungsviertel aufgehoben, sondern die Rundfunkanstalt Berliner Funkstunde ersucht, das Ereignis zu kommentieren und aufzuzeichnen. Der auf Schallplatten gepresste Mitschnitt wurde – mit Ausnahme des Bayerischen Rundfunks – von allen deutschen Sendeanstalten ab 22.20 Uhr gesendet. Gegen Mitternacht folgte eine zweite Reportage direkt aus der Reichskanzlei, in der u.a. davon die Rede war, die „Hunderttausende“ seien nunmehr „zu einer einzigen Willenseinheit zusammengeschmolzen“ – sozusagen die Geburtsstunde der „Volksgemeinschaft“. Göring führte aus, es handele sich um den „gewaltigsten Abend“, den Berlin seit dem Kriegsbeginn am 1. August 1914 erlebt habe. „Hunderttausende und Aberhunderttausende, SA, SS, Stahlhelm, Volk und immer wieder Volk strömten vorbei, um den geliebten Führer zu sehen, strömten herbei, um damit kundzutun, dass heute ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte gekommen ist.“ Und Goebbels erklärt: „Deutschland ist im Erwachen.“ – Durch eine solche Inszenierung gelang es, den Eindruck zu vermitteln, als stünde tatsächlich die große Mehrheit der Bevölkerung hinter dem neuen Reichskanzler.

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