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Chronik und Quellen
1934
September 1934

Die Gestapo Düsseldorf berichtet

Die Gestapo Düsseldorf berichtete über den Monat September 1934:

„Die jüdischen Vereinigungen haben im Berichtsmonat, wie auch in den Vormonaten, eine wenig rege Tätigkeit entfaltet. An wichtigen Veranstaltungen sind zu nennen:

1. Die Versammlungen des Zionistenvereins in Remscheid. Die Hauptrednerin, Frau Fritz Ickenberg aus Remscheid, sprach zu dem Thema: „Die Grundlagen des Palästinaaufbaues“. An der Veranstaltung nahmen 48 Personen teil.

2. Das Fußball-Blitztournier des jüd. Sportklubs „Makkabi“ auf dem Sportplatz an der Krefelderstraße in Mönchengladbach um den Pokal des Makkabi. Folgende jüdische Sportvereine nahmen teil:

a) Itus, Duisburg, mit 44 Teilnehmern,
b) Hakoah, Wuppertal, mit 20 Teilnehmern,
c) Makkabi, Düsseldorf, mit 36 Teilnehmern,
d) Hakoah, Köln, mit 50 Teilnehmern,
e) Hakoah, Dortmund, mit 31 Teilnehmern,
f) Makkabi, M.-Gladbach, mit 55 Teilnehmern.

Insgesamt waren ca. 400 Personen, und zwar nur Juden, auf dem Sportplatz anwesend. Der Unkostenbeitrag betrug 30 Pfg. Die sportlichen Veranstaltungen verliefen ohne jede Störung. Bei der abendlichen Siegerehrung in einem Hotel wurden Diplome verteilt.

3. Die Feiern am 9.9., 10.9. und 11.9. anläßlich des Neujahrsfestes sowie am 18.9. und 19.9. anläßlich des Versöhnungsfestes wiesen überall äußerst starken Besuch auf, so daß zeitweise wegen des starken Andranges die Türen der Synagogen geschlossen werden mußten. Überwachungen der Gottesdienste und Sicherungen der Synagogen wurden auf Weisung des Herrn Polizei-Kommandeurs überall durchgeführt. Zu Störungen ist es nicht gekommen; auch waren die von den Rabbinern gehaltenen Predigten nicht zu beanstanden. Die besonders bemerkenswerten Ausführungen des Rabbiners Dr. Eschelbach in Düsseldorf bewegten sich in folgenden Gedankengängen:

Die deutschen Juden seien z.Zt. in weit größerem Maße in der Welt zerstreut und versprengt als das Volk Israel z.Zt. Jesaias. Er ermahnte die Anwesenden, sich immer bewußt zu bleiben, daß sie Juden seien. Wenn das Schicksal den einen oder andern irgendwo hin verschlagen würde, so solle er immer wieder versuchen, mit andern Glaubensgenossen zusammenzukommen, damit sie den jüdischen Gedanken gemeinsam pflegen könnten. Er forderte weiter auf, allen Juden, die verschlagen seien, mit Rat und Tat zu helfen. Weiter wies er darauf hin, daß die Not der Juden in den kleinen Gemeinden sehr groß wäre. Die Kirchen, Friedhöfe usw. wären dem Verfall nahe. Die Juden verließen zum Teil die kleineren Orte, um in größeren Orten ihren Unterhalt zu finden. Alle diese Personen müßten unterstützt werden. Der Rabbiner erwähnte weiter, daß das Judentum seit etwa 500 Jahren aus Spanien und Portugal verdrängt worden wäre und dort jetzt wieder allmählich Fuß fassen könnte. Weiter verlas der Rabbiner einen Aufruf der „Zentrale für Hilfe und Aufbau“, der von allen jüdischen Organisationen und Institutionen unterzeichnet ist. In diesem Aufruf wird zur Hilfe für Arme und Kranke sowie zur Unterstützung der geplagten jüdischen Schule aufgefordert. In seiner Predigt wies Dr. Eschelbach darauf hin, daß bei dieser Sammlung nicht wie bisher nur die Wohlhabenden in Anspruch genommen würden, sondern daß auch die Leute, die selbst unterstützt werden müßten, ihr Scherflein beisteuern sollten.

Wegen der Erlangung einer eigenen Schule erwähnte Dr. Eschelbach, daß jetzt, nach Überwindung innerer Hemmnisse, noch äußere Schwierigkeiten beseitigt werden müßten. Er forderte alle Juden auf, auch wenn sie keine schulpflichtigen Kinder hätten, dem vor etwa einem Vierteljahr gegründeten jüdischen Schulvereine beizutreten. „Es muß erreicht werden“, so führte er aus, „daß die jüdischen Kinder wieder ihren Sabbat feiern können.“ Alle Eltern sollen die Befreiung ihrer Kinder an diesem Tage vom Schulunterricht erstreben. Gelegenheit wäre jetzt durch die Einführung des Staatsjugendtages gegeben.

Nach Ansicht des Rabbiners hat das Judentum deshalb eine Strafe erhalten, weil es seit fast 150 Jahren, also 3 Generationen hindurch, den Sabbat nicht mehr geheiligt hat. Es müsse deshalb unbedingt wieder zur Heiligung des Tages kommen, weil es mit der Ehre des Einzelnen, der Ehre des ganzen israelitischen Volkes und der Ehre Gottes stehe und falle.

Allgemein ist die Beobachtung gemacht worden, daß die jüdischen Geschäfte wieder in zunehmendem Maße von der Bevölkerung aufgesucht werden. Besonders die ländliche Bevölkerung scheint sich von den Warenhäusern und jüdischen Geschäften immer noch nicht trennen zu können. Während im Jahre 1933 und in den ersten Monaten d. Js. der Umsatz der jüdischen Warenhäuser und Geschäfte überall stark zurückging, haben sich die Umsätze eines großen Teils der Geschäfte wieder langsam gehoben.“

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