Die Gestapo Aachen berichtet
Die Gestapo Aachen berichtete über den Monat Februar 1936:
„Einzelaktionen gegen Juden von besonderer Bedeutung haben sich im Berichtsmonat nicht ereignet.“
„Nach dem Anschlag, dem der Landesgruppenleiter der NSDAP Gustloff zum Opfer fiel, haben sich die Juden im hiesigem Bezirk im allgemeinen ruhig verhalten. Nur in einem Falle mußte gegen den Juden Siegfried Schelasnitzki, geb. am 13.10.02 zu Prostken, eine Schutzhaft von 7 Tagen verhängt werden. Schelasnitzki war zur Anzeige gebracht worden, weil er während eines Gesprächs mit seinem Arbeitgeber, der gleichfalls Jude ist, anerkennende Worte über den Mord in Davos gefunden haben soll. Der Nachweis hierfür ließ sich jedoch nicht einwandfrei führen, so daß die Entlassung erfolgen mußte. Dies nutzte der Jude Schelasnitzki dazu aus und versuchte durch den Aushang einer anonymen Postkarte, die er wahrscheinlich auch selbst geschrieben hat, Unruhe in die Belegschaft zu bringen und sie gegeneinander aufzuhetzen.
Die geplanten jüdischen Versammlungen wurden aufgrund der Verordnung des Reichspropagandaministers vom 6.2.36 verboten.
An Einzelaktionen sind im Berichtsmonat nachstehende Fälle zu verzeichnen.
Auf dem jüdischen Friedhof in Mechernich wurden am 11.2.36 etwa 16 Grabsteine gewaltsam umgestoßen. Die näheren Feststellungen ergaben, daß die Tat bereits 14 Tage zurücklag. Die anfänglich aufgetauchte Vermutung, daß die Tat als Folge einer politischen Kundgebung anzusehen sei, hat sich durch die nunmehr erfolgte Feststellung der Täter als hinfällig erwiesen. Bei den Tätern handelt es sich um mehrere noch schulpflichtige Knaben im Alter von 10-11 Jahren. Hieraus ergibt sich, daß die Tat keinerlei politischen Charakter trägt, sondern lediglich einen groben Unfug darstellt.
Eine weitere Friedhofschändung hat sich in Gemünd, Kr. Schleiden, zugetragen. Dort wurden auf dem jüdischen Friedhof 3 Grabsteine beschädigt. Auch in diesem Falle muß die Tat bereits einige Wochen vor ihrer Entdeckung ausgeführt worden sein. Die Täter konnten bisher noch nicht ermittelt werden.
An den Karnevalstagen hielten die Juden in dem Grenzort Vaals (Niederlande) im Hotel „Bellevue“, dessen Besitzer ebenfalls Jude ist, Kostümfeste ab. An diesen Tagen wurde eine verschärfte Grenzkontrolle durchgeführt. Irgendwelche Verstöße gegen die Paß- und Devisenbestimmungen durch Juden wurden nicht festgestellt. Auffallend war, daß die meisten Juden beim Grenzübertritt nur ganz geringe Barmittel bei sich führten.
Wegen Rassenschande wurde der Jude Wilhelm Halpern, geb. am 12.2.1910 in Budapest, Staatsangehörigkeit Pole, hier, Alfonsstr. 16, wohnhaft, festgenommen. Halpern unterhielt seit mehreren Jahren mit der Verkäuferin Johanna Clermont, geb. am 26.12.1910 in Aachen, intimen Verkehr und hatte diesen auch noch nach dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze fortgesetzt. Der Richter erließ Haftbefehl.
In Eicks, Bezirk Schleiden, wurde am Eingang des Ortes ein Schild folgenden Inhalts angebracht: „Jude kehre um, verseuche diesen Ort nicht!“ Das Schild wurde auf meine Veranlassung entfernt.“