Die Gestapo Aachen berichtet
Die Gestapo Aachen berichtete über den Monat Dezember 1935:
„Ausschreitungen gegen Juden, die den Charakter von Einzelaktionen trugen, haben sich nicht mehr so zahlreich ereignet wie in den Vormonaten, wenn auch an einigen bestimmten Orten immer wieder von neuem derartige Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu verzeichnen waren. Die Ermittlungen gestalten sich in diesen Fällen immer sehr schwierig und führen nur zu oft nicht zur Feststellung der Täter. Begrüßenswert ist, daß nunmehr auch die letzten jüdischen Amtsträger ausgeschaltet sind, darunter auch die Fleischbeschauer jüdischer Abstammung, deren Tätigkeit bisher noch zu Schwierigkeiten Anlaß gab.“
„Innerhalb der jüdischen Organisationen waren es hauptsächlich die Zionisten, die im Berichtsmonat etwas reger in Erscheinung traten. Bei mehreren in meinem Bezirk stattgefundenen Versammlungen wurde wie immer das Auswanderungsproblem und die Siedlungsmöglichkeiten in Palästina eingehend besprochen. In der Hauptsache handelte es sich dabei um Versammlungen und Zusammenkünfte jüdischer Jugendorganisationen, die stets überwacht wurden.
Der jüdische Kulturbund „Rhein und Ruhr“ hielt zwei Veranstaltungen ab.
Die Ausschreitungen gegen Juden haben auch im verflossenen Berichtsmonat noch nicht aufgehört. In Waldenrath (Bez. Aachen) wurden bei zwei Juden die Fensterläden und Türen mit Steinen beworfen. Irgendwelcher Schaden ist jedoch nicht entstanden. Es wird angenommen, daß es sich bei den Tätern um junge Burschen handelte, die ihren jugendlichen Übermut etwas kühlen wollten.
Ebenso wurden in dem jüdischen Kaufhaus Gebr. Josefs in Gangelt (Kr. Geilenkirchen) die Schaufenster eingeschlagen oder eingeworfen. Die Täter konnten nicht ermittelt werden.
Wegen Rassenschande mußte der jüdische Verkäufer Samuel Borkowsky aus Brand b/Aachen festgenommen werden.
Borkowsky hatte seit 2 Jahren mit einer Buchhalterin geschlechtlichen, rasseschänderischen Verkehr unterhalten. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre wollen sie den Geschlechtsverkehr eingestellt und sich durch gegenseitige Onanie befriedigt haben. B. wurde dem Richter vorgeführt, der Haftbefehl erließ.
In einem weiteren Falle wurde ein arischer Arbeiter wegen Verstoßes gegen das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre festgenommen, weil er mit einer geschiedenen Jüdin bis in die jüngste Zeit hinein wiederholt den Geschlechtsverkehr ausgeübt hatte. Die Jüdin führte dem Beschuldigten seit 2 Jahren den Haushalt und hat während dieser Zeit verschiedentlich bei ihm in der Wohnung geschlafen. Die ihm zur Last gelegten Handlungen gab der Beschuldigte zu.
Der in meinen Lagebericht für den Monat November erwähnte Jude Max Salomon, der wegen Rassenschändung festgenommen und dem hiesigen Amtsgericht vorgeführt worden war, wurde durch Urteil der ersten Strafkammer beim Landgericht in Aachen wegen Rassenschändung zu 5 Monaten Gefängnis und zu den Kosten des Verfahrens verurteilt.
Im übrigen ist festzustellen, daß die Umsätze in den jüdischen Geschäften stark zurückgehen. Eine Ausnahme ist jedoch im Viehhandel zu beobachten; da noch nicht genügend kapitalkräftige arische Händler vorhanden sind und vielfach kein Nutzviehmarkt besteht, liegt der Viehhandel noch zu einem großen Teil in Händen der Juden.
Sonst ist in der Judenfrage Bemerkenswertes nicht zu berichten.“