Die Gestapo Aachen berichtet
Die Gestapo Aachen berichtete über den Monat Mai 1935:
„Die Anordnungen der Kreisbauernführer, wonach den Bauern vom Handel mit Juden dringend abgeraten und den Widerstrebenden wirtschaftliche Nachteile in Aussicht gestellt worden sind, werden lebhaft erörtert und nicht überall gebilligt.
Starke Beachtung fand ein Rundschreiben der Milchverwertungs-Ges. m.b.H. Aachen betr. Auszahlung von Werkmilchpreisen, in dem gegeisselt wird, dass immer noch zahlreiche landwirtschaftliche Betriebinhaber mit Juden Geschäfte machen. Um den Inhabern dieser Betriebe, die entweder in Gedankenlosigkeit oder aber auch aus Böswilligkeit immer noch mit Juden handeln und wandeln, eine fühlbare Lehre zuteilwerden zu lassen, ist beschlossen worden, dass in Zukunft alle Genossen der Milchverwertung, die noch mit Juden geschäftlich verkehren, nur noch den Verarbeitungspreis für die gelieferte Milch ausgezahlt erhalten. Ob dieser Beschluss aufrechterhalten wird, steht noch dahin.“
„Unter den jüdischen Organisationen waren es hauptsächlich die Zionisten, die im Berichtsmonat wieder rege in Erscheinung getreten sind. In mehreren in meinem Bezirk stattgefundenen Versammlungen wurden wie immer das Auswanderungsproblem und die Siedlungsmöglichkeiten in Palästina eingehend besprochen. Der Auswanderungsdrang der jüdischen Jugend in Aachen ist nach wie vor sehr stark. Von den hier wohnhaften jugendlichen Juden haben im Berichtsmonat vier Personen das Reichsgebiet verlassen, um nach Palästina auszuwandern.
Der Zentralverein Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten sind in den letzten Monaten überhaupt nicht mehr in Erscheinung getreten. Wohl ist mit Beginn des Frühjahrs eine gesteigerte sportliche Betätigung der jüdischen Organisationen festzustellen. So haben im Berichtsmonat mehrere Hand- und Fussballspiele jüdischer Organisationen stattgefunden, die aber von der Bevölkerung nicht beachtet wurden.
Die Ausschreitungen gegen Juden wurden in diesem Monat, nachdem Gauleiter Grohé sich scharf gegen sie ausgesprochen hatte, auf wenige Fälle von nicht besonderer Bedeutung zurückgeschraubt. Im Landkreis Erkelenz wurden den Juden Gebr. Salm einige Fensterscheiben eingeworfen und die Hausfront mit antisemitischen Schriften versehen. Die Täter sind ermittelt. Gegen sie wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Auf den Bericht durch Fernschreiber vom 14.5.35 nehme ich Bezug.
Desgleichen wurden in der Nacht zum 1.5.35 von unbekannten Tätern die Schaufenster einer Anzahl jüdischer Geschäfte in Düren mit Farbe bemalt und bei der Westdeutschen Kaufhof-A.G. und bei dem Einheitsgeschäft „Merkur“, ebenfalls in Düren, die gehissten Hakenkreuzfahnen entfernt. Ein grosser Teil der Bürgerschaft missbilligt das Vorgehen einzelner Personen gegen Geschäfte mit überwiegender arischer Belegschaft und bringt dies in der Öffentlichkeit entsprechend zum Ausdruck.
In kultureller Hinsicht hielten sich die Veranstaltungen der Juden in kleinem Rahmen. Im Berichtsmonat fanden lediglich zwei Veranstaltungen des jüdischen Kulturbundes „Rhein und Ruhr“ statt, die aber frei von jeglicher politischer Tendenz waren.“