Generalkonsul von Weiss berichtet aus Köln
„Köln, 30. Mai 1942
(...) Am vergangenen Samstag hatte ich Besuch einer Persönlichkeit, die bis vor kurzem im öffentlichen Leben Deutschlands eine wichtige Rolle spielte und von der ich erfuhr, dass allgemein mit einer Verschärfung des radikalen Kurses in Deutschland gerechnet wird. Die Machtbefugnisse eines Himmler bezw. der Gestapo sollen wesentlich erweitert werden und es wird erwartet, dass noch strengere Maßnahmen gegen die noch in Deutschland verbliebenen Juden vorgenommen werden. Eine diesbezügliche Bestätigung konnte ich zufällig gestern erfahren. Ein Nichtarier sprach wegen Bezahlung rückständiger Telegrammgebühren bei mir vor und erzählte u. a., dass die bisher im Israelitischen Asyl und Altersheim untergebrachten älteren Juden, deren Verschickung nach dem Osten aufgrund von ärztlichen Zeugnissen nicht stattfand, plötzlich die Aufforderung erhielten, sich bis 18 Uhr in den Baracken bei Köln-Müngersdorf zu melden, um dort ihre neuen Quartiere zu beziehen. Darunter befand sich ein Jude im Alter von 87 Jahren. Mit welchen kleinlichen Mitteln gegen die Juden jetzt vorgegangen wird, geht aus einem von der »Jüdischen Kultusvereinigung Synagogengemeinde Köln e. V.« im Aufträge der Gestapo an alle in Köln verbliebenen Juden, am 25.5.1942 herausgegebenen Rundschreiben hervor, das folgenden Wortlaut hat:
An alle Juden in Köln!
Betrifft: Halten von Haustieren.
Im »Jüdischen Nachrichtenblatt« Nr. 20 vom 15. ds. Mts. wird folgende Anordnung der Aufsichtsbehörde veröffentlicht:
1. Juden, die zum Tragen des Kennzeichens verpflichtet sind und den mit ihnen zusammen wohnenden Personen ist mit sofortiger Wirkung das Halten von Haustieren (Hunden, Katzen, Vögeln) verboten.
2. Juden, die im Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Anordnung Haustiere halten, sind verpflichtet, der für ihren Wohnort zuständigen Jüdischen Kultusvereinigung bis zum 20.5.1942 unter Angabe des Kennwortes »Haustiere« schriftlich anzuzeigen, welche Haustiere von ihnen gehalten werden.
3. Über die Ablieferung oder Abholung der Haustiere wird den Tierhaltern (vergl. Ziffer 2) durch die zuständige Jüdische Kultusvereinigung Anweisung zugehen.
4. Eine anderweitige Unterbringung der Haustiere, insbesondere in Pflegestellen bei Dritten, ist unzulässig.
5. Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnung haben staatspolizeiliche Massnahmen zur Folge.
6. Diese Anordnung gilt nicht für Juden ausländischer Staatsangehörigkeit, es sei denn, dass sie zum Tragen des Kennzeichens verpflichtet sind.
Jüdische Kultusvereinigung
„Synagogengemeinde Köln e. V.“
gez. Dr. Julius Israel Bier
Vorsitzender
Mein Gewährsmann ist der festen Meinung, dass mit zunehmender Macht der Gestapo auch gegen die sogenannten Mischehen vorgegangen wird. Auf alle Fälle muss nunmehr ein Jude, der eine Arierin geheiratet hat, soweit die Ehe kinderlos geblieben ist, in Zukunft den Davidsstern tragen und seine Wohnung durch Anbringung eines schwarz auf weiß gezeichneten Davidssternes mit dem Wort »Jude« in der Mitte als nichtarisch kennzeichnen. Man erwartet auch für solche jüdischen Familien die Unterbringung in den Baracken von Köln-Müngersdorf.“