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Chronik und Quellen
1941
Dezember 1941

Generalkonsul von Weiss berichtet aus Köln

„Köln, 8. Dezember 1941

(...) Wie von verschiedenen Seiten angedeutet worden war, sollten die gegen die Juden getroffenen Maßnahmen eine gewisse Milderung erfahren. Diese Anordnungen werden jedoch immer strenger gehandhabt. Am vergangenen Freitag ist wiederum ein Transport von 1.000 Juden von Köln abgegangen. Dieser Transport war für Riga bestimmt, wo ein großer Mangel an Arbeitskräften bestehen soll. Nach wie vor müssen die zwangsweise abgeschobenen Juden alles verlassen. Auch die drei Familien, die ich in meinem letzten Bericht erwähnte, mussten die Reise antreten, nachdem die in ihren Pässen eingetragenen Sichtvermerke bzw. Visa von der Gestapo als ungültig erklärt worden waren.

Die Behandlung, die den Juden im Osten zuteil wird, soll einfach jeder Beschreibung spotten. Der Gatte einer mir bekannten Dame, der aus der Nähe von Petrograd über Warschau nach hierher kam, hatte in der letztgenannten Stadt Aufenthalt. Er Hess sich dazu verleiten, das dortige Ghetto aufzusuchen. Wie mir seine Frau sagte, war das, was er dort sah, so fürchterlich, dass er ihr nicht alles erzählen konnte. Leichen von Kindern und auch von Erwachsenen lagen auf der Straße, von wo sie später von der Müllabfuhr abgeholt wurden. Ich wollte diesen Angaben zuerst selbstverständlich keinen Glauben schenken. Am vergangenen Sonntag erhielt ich jedoch den Besuch des gleichen Großindustriellen, mit dem ich im vergangenen Juli von Freiburg nach Köln zurückgefahren war, nachdem ich unsere Ferienkinder nach der Schweiz begleitet hatte. Dieser Bekannte kam gerade aus Berlin, wo er wichtige Besprechungen gehabt hatte. Von sich aus erzählte er, wie schrecklich die Zustände in den jüdischen Vierteln von Lodz und Minsk und auch in Polen seien. Die dortigen Juden sterben vor Hunger buchstäblich wie Fliegen. Die Leichen werden nachts nur dürftig in Papier eingepackt und auf die Straße gesetzt. Am nächsten Tag werden sie von der Müllabfuhr abtransportiert. Auch schwer kranke Leute, die im Sterben liegen, werden einfach auf die Straße gebracht, damit sie nicht in ihrer Wohnung enden und eine Desinfektion der betreffenden Räume erforderlich ist. Die Wohnungsinhaber scheuen sich, eine solche vornehmen zu lassen, da sie nicht wissen, ob sie die Wohnung wieder beziehen können. Mein Gewährsmann berichtete mir ferner, dass, wie Sie wahrscheinlich auch wissen, allein in Berlin 12.000 Juden, deren Auswanderungspapiere vollständig in Ordnung sind, zurückbehalten werden mussten, um nach dem Osten transportiert zu werden. Dort verlangt man von diesen zwangsweise Abgeschobenen, die ohne jegliche Barmittel sind, RM 1.80 für ein Pfund Kartoffeln, RM 80.- für einen Zentner Kohlen und RM 300.- für ein Paar Schuhe. Sie sollen im Monat zwei Brote erhalten. Wie ich weiter vernahm, habe die Gestapo kürzlich eine Verfügung erlassen, wonach für Juden keine Krankheitsatteste mehr ausgestellt werden dürften.“

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