Generalkonsul von Weiss berichtet aus Köln
Köln, 21. November 1941
Herr Minister,
hiermit beehre ich mich, Ihnen Durchschläge von zwei Berichten zu übersenden, die ich am 17. und 19. ds. Mts. an die Eidgenössische Fremdenpolizei in Bern richtete. Wie Sie daraus zu ersehen belieben, hatte ich mich kürzlich mit Einreise- bzw. Durchreisegesuchen von verschiedenen Nichtariern zu befassen, welche Anträge in Anbetracht der Besonderheit dieser Fälle von der obengenannten Behörde in entgegenkommendem Sinne behandelt wurden. Wie Sie den Beilagen ferner entnehmen wollen, sind alle die monatelangen Bemühungen der betreffenden Juden, ihre Papiere zur Auswanderung in Ordnung zu bringen, plötzlich nutzlos geworden, indem auf Verfügung der Geheimen Staatspolizei alle bereits erteilten, noch nicht benutzten Sichtvermerke von Juden ungültig wurden, auch wenn die fraglichen Auswanderer im Besitze der Passage-Billets und der nötigen Visa waren. Soeben habe ich eine einstündige Unterredung mit dem hiesigen Polizeipräsidenten gehabt, während welcher ich vor allen Dingen versuchen wollte, eine Änderung in der Stellungnahme der zuständigen deutschen Behörden gegenüber unseren Landsleuten zu erwirken, die die Erteilung eines Aus- und Wiedereinreise-Sicht-vermerks für eine Reise nach ihrer Heimat beantragen, da unsere Landsleute immer erbitterter werden, weil ihren diesbezüglichen Gesuchen nicht entsprochen wird.Bei dieser Gelegenheit streifte ich auch die neue Praxis der deutschen Amtsstellen Juden gegenüber. Ich berührte diese Frage nur nebenbei, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich mich für sie besonders einsetzen wollte, sondern, wie dies auch der Fall ist, dass ich ihre Einreisegesuche genau so wie die übrigen vorschriftsgemäss prüfen und erledigen würde.
Der vorerwähnten Unterredung folgte eine zweite mit dem Regierungsdirektor Delius, dem Vizepolizeipräsidenten. Anlässlich der beiden Besprechungen konnte ich wiederum die eigentümliche Lage der Polizeibehörde feststellen, indem sie einfach Vollzugsorgan ist und die willkürlichen, plötzlich ergehenden Verfügungen der Geheimen Staatspolizei blindlings anwenden muss. Meine 22jährige Bekanntschaft, beinahe könnte ich sagen Freundschaft, mit Herrn Regierungsdirektor Delius erlaubte ihm, über diese heikle Frage offen mit mir zu sprechen. Er machte auch keinen Hehl daraus, wie schwer die Stellung aller Behörden durch das willkürliche Eingreifen der allmächtigen Gestapo geworden ist.
Anfang Dezember wird wiederum ein Transport von 1.000 Juden nach Minsk vor sich gehen, was in den betroffenen jüdischen Kreisen eine wahre Panikstimmung hervorgerufen hat, sind doch alle diese Juden davon überzeugt, dass sie ihrem Ende entgegengehen. Ich gestatte mir, Ihnen hiermit eine Anzahl Druckschriften und Zirkulare der hiesigen jüdischen Kultusvereinigung zugehen zu lassen, aus denen Sie das Nähere betreffend diesen Transport und den bereits erfolgten entnehmen werden. Wie der Einzelne neben seinen Habseligkeiten, Kleidern, Nahrungsmitteln, noch Bettzeug, Ofen, Spaten und Werkzeuge zum Bauen von Baracken mitnehmen soll, ohne die zulässige Gepäckgrenze von 25 kg zu überschreiten, ist schwer zu erraten. Eine Verfügung sagt auch, dass jeder bis zur Grenze von 25 kg nur mitnehmen kann, was ihm auch möglich ist, zu tragen. Ältere Leute, Kinder usw. müssen sich selbstverständlich mit viel weniger Gepäck begnügen. Bezeichnend ist ferner das Verbot, Messer und Gabeln mitzunehmen.
Nach den in der letzten Nummer des »Reiches« veröffentlichten scharfen Artikel des Herrn Reichsministers Josef Goebbels ist am letzten Sonntag im WB ein Artikel erschienen, der den Titel »Der gelbe Fleck« trägt. Dieser Artikel stammt aus der Feder des Hauptschriftleiters des vorgenannten Blattes, Herrn Martin Schwaebe. Ich erlaube mir, Ihnen hiermit diese Veröffentlichung zur gefälligen Kenntnisnahme zuzustellen.