August 1941
Nach dreiwöchigen Kämpfen beendete die Heeresgruppe Nord der Wehrmacht am 5. August siegreich eine Kesselschlacht bei Smolensk, in deren Verlauf 310.000 sowjetische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten. Nur drei Tage später schloss die Heeresgruppe Süd auch die Kesselschlacht bei Uman erfolgreich ab und machte 103.000 Gefangene.
Materialverschleiß und Nachschubprobleme bestimmten aber immer stärker die Lage, die zudem durch die hohe Belastung der deutschen Infanterie, die den motorisierten Verbänden in immer neuen Gewaltmärschen folgen musste, erheblich beeinträchtigt wurde. Dennoch lehnte Hitler am 21. August die Vorschläge der Heeresführung zur raschen Einnahme Moskaus ab und befahl zunächst intensive Angriffe auf die Krim und den Kaukasus, um die Rote Armee von Öl- und Getreidelieferungen abzuschneiden. Folge dieser Strategie war es letztlich, dass Hitler am 26. August eine Denkschrift des Oberkommandos der Wehrmacht genehmigen musste, in der festgestellt wurde, dass der Krieg gegen die Sowjetunion 1941 nicht mehr beendet werden könne. Die Tatsache, dass das Oberkommando des Heeres bereits am 3. August die Bereitstellung von Winterkleidung für die an der Ostfront stehenden Wehrmachtsverbände eingeleitet hatte, war für die Bevölkerung ein erstes deutliches Anzeichen dafür, dass der Krieg gegen die UdSSR nicht mehr vor Einbruch des Winters entschieden werden würde.
Auch im Reichsgebiet sah es nicht eben rosig aus. Britische Verbände flogen am 12. August den bis dahin schwersten Luftangriff auf Berlin und richteten bei einem weiteren Angriff auf Köln schwere Verwüstungen an. Drei Tage später griffen in der Nacht zum 15. August 300 britische Bomber die Städte Hannover, Braunschweig und Magdeburg an. Am 30. August schließlich flog die britische Luftwaffe erneut schwere Attacken gegen deutsche Städte - unter anderem auf Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main.
Auf allen Postwertzeichen der Dauermarkenreihe der Reichspost war seit dem 1. August ein Hitler-Porträt abgebildet. Damit erreichte der insbesondere seit Kriegsbeginn geförderte Personenkult um den „Führer“ einen neuen Höhepunkt.
Am 31. August wurde trotz aller Kriegserscheinungen in Leipzig die einwöchige Herbstmesse eröffnet. Die Presse wies – wohl nicht zur Ablenkung und Beruhigung der Bevölkerung – darauf hin, dass sowohl die Zahl der Aussteller (6.625 aus 19 Ländern) als auch jene der Besucher gestiegen sei.
Nachdem er bereits am 28. Juli beim örtlichen Polizeipräsidenten Anklage wegen Mordes an den „unproduktiven Volksgenossen“ in den Heilanstalten des Deutschen Reiches erhoben hatte, prangerte der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, am 3. August in einer Predigt in der Münsteraner Lambertikirche die von NS-Führung angeordnete Massentötung von „Geisteskranken“ als Mord an. Von Galen sprach deutlich aus, dass die „zahlreichen unerwarteten Todesfälle“ in den Anstalten „nicht von selbst“ eintreten, sondern absichtlich erbeigeführt“ würden. Zugleich verurteilte er die NS-Rassenideologie als „furchtbare Lehre, die die Ermordung Unschuldiger“ zu rechtfertigen versuche. Der Bischof warnte: „Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den ‚unproduktiven‘ Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden.“ Tatsächlich befahl Hitler wegen von Galens und zahlreicher weiterer Proteste am 24. August den Stopp der als „Euthanasie“ verharmlosten systematischen Ermordung geistig und psychisch Kranker. Internen Statistiken der nationalsozialistischen Machthaber zufolge waren der Aktion bis dahin aber bereits 70.273 Menschen zum Opfer gefallen.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Ab dem 2. August war der jüdischen Bevölkerung jegliche Benutzung allgemeiner Leihbüchereien verboten; fünf Tage später wurde ihre Lebensmittelzuteilung noch weiter beschränkt. Außerdem war es Juden im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 45 Jahren ab August 1941 generell verboten, zu emigrieren.
Zugleich erreichte die Eskalation der Gewalt in der Sowjetunion immer neue Dimensionen, die u.a. in den Massakern von Kamenz-Podolsk (Ende August 1941) und Babij Jar (29./30. September 1941) einen besonders brutalen Ausdruck fanden. Diese zusehends ungezügelteren Gewaltexzesse wurden ab August zu einem entscheidenden Faktor für den Entschluss zur Ermordung möglichst aller europäischen Juden. Die Vorgänge unmittelbar hinter der Ostfront führten zu einer scheinbar unaufhaltsamen Radikalisierung und beschleunigten die entsprechenden Entscheidungen in Berlin, die in einem Klima getroffen wurden, in dem Vorschläge zum Massenmord nahezu zur Normalität geworden waren, in der plötzlich alles möglich erschien.
Das betraf nicht zuletzt die Technisierung und Perfektionierung des Genozids. Zwar verfügten die Polizei- und SS-Einheiten über zahlreiche Freiwillige, die sich an den Massenerschießungen beteiligten; doch fürchtete Heinrich Himmler auf längere Sicht deren Verrohung, was ihn um die Moral seiner Truppen fürchten ließ. So begab er sich auf die Suche nach alternativen Mordmethoden und erteilte Mitte August 1941 zunächst den Auftrag, die Technik der Gaswagen zu perfektionieren, um anschließend die mobilen Tötungskommandos damit auszustatten. In Sachsenhausen starben 40 sowjetische Kriegsgefangene durch die Auspuffgase der Spezial-Lkws, die später nachweislich auch in Kulmhof und Riga eingesetzt wurden.
Parallel hierzu wurde der Einsatz des Giftgases Zyklon B beschlossen, dessen Erprobung die SS erstmals Ende August 1941 im Stammlager des KZ Auschwitz vorbereitete. Am 3. September 1941 fand dann der erste Test an sowjetischen Kriegsgefangene und kranke Häftlingen statt.