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Chronik und Quellen
1935
Februar 1935

Februar 1935: Die Gestapo Köln berichtet für den Regierungsbezirk Köln

"Bauernschaft (...)

Die Klagen über unzureichende Schlachtviehpreise verstummen nicht. Bemerkenswert ist dabei, dass der Bauer noch in grösserem Umfange ein besseres Vertrauen zu den jüdischen Viehhändlern hat, als zu den neugeschaffenen Viehverwertungsgenossenschaften. Von diesen glaubt er sich – im Gegensatz zum Juden – übervorteilt. Auch der direkte Verkauf an Schlächter findet wenig Sympathie. So kommt es, dass die bemerkenswerte Zusammenarbeit der bäuerlichen Bevölkerung mit jüdischen Händlern den von der politischen Organisation eifrig geführten Kampf gegen das Judentum sehr erschwert. (...)

Die Juden werden immer dreister. Sie führen Beschwerde über jede politische Aufklärungsarbeit im Interesse des Deutschtums, die sie unter Berufung auf die bekannten Erlasse des Herrn Reichswirtschaftsministers als Boykott bezeichnen und gegen die sie ein behördliches Einschreiten verlangen. Die jüdischen Geschäfte erfreuen sich noch immer eines starken Zuspruchs. Andererseits gibt es vor allem in kleineren Städten jüdische Geschäfte, die wirtschaftlich stark unter der Aufklärungsarbeit leiden, die in immer stärkerem Masse von der politischen Organisation der Partei vorwärts getrieben wird. Die Stimmung in der Judenschaft ist sehr gedrückt. Man schätzt die Entwickelung pessimistisch ein, und besonders die junge Generation zeigt das Bestreben, Deutschland zu verlassen, obschon sich fast alle Länder gegen die Zuwanderung immer mehr verschliessen. Der Zionismus macht täglich Fortschritte. Das Hauptziel der jüdischen Auswanderer, insbesondere der unteren Schichten, ist Palästina. Man nimmt dafür sogar radikale Berufsumstellungen in Kauf. Die oberen Schichten der jüdischen Bevölkerung haben wirtschaftlich nicht so stark unter den veränderten Umständen gelitten. Aber die völlige Verschliessung der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufe und der Beamtenlaufbahn drängt die jüngeren Juden auch dieser Schichten zur Auswanderung. Man ist im Judentum willens, jede Veränderung der Regierung zu unterstützen, die auch eine Änderung der Rassengesetzgebung mit sich brächte. Im Monat Februar 1935 haben 27 Jugendliche der Zionistischen Gemeinschaft aus Köln die Ausreise nach Palästina angetreten. Die Berufsumstellung der jüdischen Auswanderer stösst zur Zeit auf Schwierigkeiten, da die Juden einerseits in Deutschland auf dem Lande keine Aufnahme finden und ihnen andererseits auch in letzter Zeit Holland und Dänemark zum Teil verschlossen bleibt.

In allen Kreisen des Regierungsbezirks macht sich infolge der lebhaften Propaganda gegen das Judentum eine starke Aktivität auch der hinter der Regierung stehenden Bevölkerung gegen Juden bemerkbar. In Köln sind mehrfach jüdischen Familien die Fensterscheiben eingeworfen worden. Auch wurden Juden in öffentlichen Lokalen verschiedentlich angegriffen, so dass es zu Auseinandersetzungen kam. Auch auf dem Lande ist es mehrfach zu Sachbeschädigungen jüdischen Eigentums gekommen. Vor wenigen Tagen haben einige Jugendliche in Honnef die Synagoge erbrochen, den Kirchenraum verunreinigt und kirchliche Gegenstände beschädigt. Die Juden sind zur Zeit durch alle diese Vorgänge gereizt und offenbaren besonders einen starken Hass gegen den „Stürmer“, dessen Artikel und Karikaturen den Juden äusserst peinlich sind. Der öffentliche Aushang von Nummern des „Stürmers“ in Parteidienststellen findet nicht bei allen Volksgenossen Anklang, so dass sich vor diesen Schaukästen häufig lebhafte Debatten entspinnen. Es besteht wenig Verständnis dafür, dass Juden noch Mitglied des Reichsnährstandes (Hauptabteilung IV) sein können."

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