November 1934: Die Gestapo Köln berichtet für den Regierungsbezirk Köln
"Das Leben in der jüdischen Gemeinschaft beschränkt sich nach wie vor auf geschlossene Veranstaltungen, meist Konzerte und Theatervorstellungen. In öffentlichen Lokalen sind die Juden kaum wahrzunehmen. Lediglich zwei Cafés haben vorwiegend jüdische Besucher. Die üblichen Versammlungen der jüdischen Vereine verliefen ohne jede Störung.
Die jüdischen Logen kämpfen mit grossen finanziellen Schwierigkeiten. Es steht zu erwarten, dass demnächst nur noch eine Loge jüdischen Rituals vorhanden sein wird. Aus der Judenschaft sind in letzter Zelt mehrfach Klagen über erneut aufgetretene Boykottmassnahmen gegen ihre Geschäfte und Klagen über den Verkauf der Zeitung „Der Stürmer“ laut geworden. Die Juden fühlen sich dadurch beleidigt, dass diese Zeitung mit der Aufforderung „Kauft nicht bei Juden! Wer bei Juden kauft, ist ein Volksverräter!“ laut in der Öffentlichkeit angepriesen wird.
In Kerpen (Landkreis Bergheim) wurden in der Nacht vom 11. zum 12.11.1934 einigen Juden die Fensterscheiben eingeworfen; auch wurden drohende Äusserungen ausgestossen. In der Nacht vom 20. zum 21.11. ds. Js. wurden einige jüdische Häuser mit folgenden Schlagzeilen bemalt: „Schlagt den Juden die Fensterscheiben ein“, „Rache, Rache!“, „Hier wohnt ein Jude“, „Du verdammter Jude gehörst nach Kalmut“, „Kauft nicht bei Juden!“. Dabei hat auch das Haus eines Juden, der niederländischer Staatsangehöriger ist und in Holland wohnt, beschmiert worden. Die Täter konnten nicht ermittelt werden. Die polizeiliche Entfernung der Aufschriften wurde angeordnet. Die verschärfte Einstellung der Bevölkerung gegen die Juden in Kerpen ist vor allem auf ein in letzter Zeit bemerktes herausforderndes Benehmen der dort ansässigen zahlreichen Juden zurückzuführen.
Im Landkreis Köln wurden vereinzelt Schilder mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“ angebracht.
Es ist bemerkenswert, dass sich in den Kreisen der Metzger infolge gewisser Schwierigkeiten, die sich im Betriebe des Schlachthofes in Köln und in der Versorgung der Metzger mit Schlachtvieh ergaben, ein gewisser Unmut über „weisse Juden“ breit gemacht hat, von denen die Metzger behaupten, dass sie teilweise noch unredlicher seien als die früheren jüdischen Viehhändler."