Die Etablierung des Führerkults schritt auch im Oktober weiter voran. So wie Hitler auf dem Reichsparteitag im September erklärt hatte, der Staat befehle nicht mehr der NSDAP, sondern diese dem Staat, äußerte sich Staatssekretär und nun Reichskanzlei-Chef Hans Heinrich Lammers vor der Berliner Verwaltungsakademie in einem Vortrag über die „Staatsführung im Dritten Reich“ am 15. Oktober zur Person Hitlers: Durch die Ämtervereinigung von Kanzler und Präsident sei der nun nicht mehr dem Reichstag verantwortlich, weil er nicht mehr wie früher die Staatsgeschäfte leite; „er führt heute den Staat“.
In diesem Sinne wurde einen Tag später das „Gesetz über den Eid der Reichsminister“ verabschiedet, die fortan schören mussten, „dem Führer des Deutschen Reiches, Adolf Hitler, treu und gehorsam“ zu sein. Durch diese Verlagerung des Eides vom Volk bzw. Staat auf eine Person fand Adolf Hitlers neue und unangefochtene Machtstellung ihren allgemein sichtbaren Ausdruck.
Auch innerhalb der NSDAP und ihren Gliederungen wurde dem umgehend Rechnung getragen, als Robert Ley in seiner Funktion als oberster Leiter der Politischen Organisation der NSDAP am 15. Oktober anordnete, dass in deren Rahmen der Begriff „Führer“ künftig in keinerlei Form mehr angewendet werden dürfe, da er allein Hitler vorbehalten sei.
Es zeigten sich auch bereits erste unerwünschte Folgen der wachsenden Verehrung: Am 13. Oktober wurde in der Presse eine amtliche Mitteilung veröffentlicht, in der Berlin-Besucher aufgefordert wurden, sich nicht länger als unbedingt nötig vor der Reichskanzlei aufzuhalten. Der Wunsch vieler „Volksgenossen“, „dem Führer und den Mitgliedern der Reichsregierung ihre Verehrung und Anhänglichkeit zum Ausdruck zu bringen“, führe angesichts der Menschenmengen immer häufiger zu erheblichen Behinderungen. – Aus solchen Aufrufen ließ sich nicht zuletzt auch ableiten, dass das NS-Regime mittlerweile in weiten Bevölkerungskreisen auf positive Resonanz stieß.
Das äußerte sich auch in einer zunehmend positiven Sicht auf die Zukunft, die sich unter anderem aus den von der Reichsregierung am 1. Oktober veröffentlichten neuesten Zahlen zu Eheschließungen und Geburten ableiten ließ. Demnach hatten im ersten Quartal 1934 über 46 Prozent mehr Paare geheiratet als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch die Zahl der Geburtenwaren bereits wieder angestiegen.
Am 9. Oktober Wurde das Winterhilfswerk 1934/35 mit einem demonstrativen gemeinsamen Eintopfessen des Reichskabinetts eröffnet. Ein hohes Sammelergebnis war schon zu Beginn der Aktion garantiert, denn in diesem Jahr wurden Arbeitern und Angestellten deren „Spenden“ gleich ungefragt von Lohn und Gehalt abgezogen und direkt an das WHW abgeführt. Die Gelder wurden zur Unterstützung Bedürftiger – zumeist aus Reihen der NSDAP – verwendet. Im Sinne des Gedankens der „Volksgemeinschaft“ erklärte Hitler zum WHW: „Die Nation hat die Pflicht, durch gemeinsame Opfer den unglücklichen Opfern unserer Not zu helfen.“
Auch auf anderem Gebiet sollte weiter auf dem Weg zur Vervollkommnung der „Volksgemeinschaft“ vorangeschritten werden. Am 24. Oktober erließ Hitler eine Verordnung über „Wesen und Ziel der Deutschen Arbeitsfront“. Sie sei, so erklärte er zu diesem Anlass, „die Organisation der schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust“ die das Ziel der „Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft“ verfolge, in der Arbeiter und Unternehmer vereint wären. – Solche hehre Worte sollten verschleiern, dass jenseits aller Gemeinschaftsideale durch die neue Wirtschaftsordnung Arbeitnehmer und in Teilen auch die Unternehmer künftig weitgehend entmündigt und ohne eigene Interessenvertretung waren.
Einen steten Unruheherd bildeten die Konflikte innerhalb der evangelischen Kirche. Am 3. Oktober erklärte der evangelische Reichsbischof Müller im Rahmen des heftig tobenden „Kirchenkampfes“, die Deutsche Evangelische Kirche (DEK) und der Staat seien eins und gab zugleich seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass noch nicht sämtliche evangelischen Pfarrer „den Weg zu Adolf Hitler“ gefunden hätten. Der innerkirchliche Konflikt wurde hingegen weiterhin mit harten Bandagen ausgefochten. Am 9. Oktober wurde der Landesbischof der evangelischen Kirche in Württemberg, Theophil Wurm, als ein Wortführer der „Bekennenden Kirche“ in den Ruhestand versetzt, zwei Tage später die bayrische Landeskirche in eine fränkische (Nürnberg) und altbayrische (München) geteilt und der bisherige Landesbischof Hans Meiser mit sofortiger Wirkung abberufen.
Als dann am 20.Oktober in Berlin-Dahlem die zweite Synode der Bekennenden Kirche stattfand, verkündeten die dort Anwesenden in dem Bestreben angesichts solcher Entwicklungen das „kirchliche Notrecht“, auf dessen Grundlage nun eigene Organe („Notorgane“) im Rahmen der DEK geschaffen werden sollten. Daraufhin wurde im Sinne dieser „Dahlemer Erklärung“ ein „Bruderrat“ eingesetzt, der die DEK künftig leiten sollte. Zugleich ließen die Verantwortlichen keinerlei Zweifel daran, dass die Bekennende Kirche ihre bisherige Position und den damit verknüpften Widerstand aufrechtzuerhalten gedachte. Selbst Hitler empfand die Situation in der evangelischen Kirche als so heikel an, dass er beide am 9. Oktober entlassenen Bischöfe am 1. November in Berlin empfing und bei dieser Gelegenheit wieder in ihre Ämter einsetzte.