Juli 1934
Die Ereignisse um den angeblichen „Röhm-Putsch“ dominierten zum Monatsbeginn das öffentliche Leben in Deutschland. Am 1. Juli hieß es in einer Mitteilung des amtlichen Deutschen Nachrichtenbüros: „Im ganzen Land herrscht völlige Ruhe und Ordnung. Das gesamte Volk steht in unerhörter Begeisterung hinter dem Führer.“ Einen Tag später beglückwünschte Reichspräsident von Hindenburg Hitler ausdrücklich für sein entschiedenes Eingreifen: „Sie haben das deutsche Volk aus einer schweren Gefahr errettet.“ Am 3. Juli legitimierte das Reichskabinett die seit dem 30. Juni begangenen Morde und Übergriffe per Gesetz nachträglich „als Staatsnotwehr rechtens“. Am 13. Juli schließlich trat Hitler selbst vor den Reichstag und rechtfertigte die brutale Aktion: „In dieser Stunde war ich verantwortlich für das Schicksal der deutschen Nation und damit des deutschen Volkes höchster Gerichtsherr!“ Auch an einer deutlichen Warnung ließ er es nicht fehlen, indem er betonte, jeder solle „für alle Zukunft wissen, dass, wenn er die Hand zum Schlag gegen den Staat erhebt, der sichere Tod sein Los“ sei.“
Die durch den 30. Juni bewirkte Schwächung der SA stärkte zugleich die Stellung der SS. So bedankte sich Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß am 8. Juli auf einem Gauparteitag der NSDAP in Königsberg bei den SS-Mannschaften ganz ausdrücklich für deren „vorbildliche Pflichterfüllung“ bei der Niederschlagung der angeblichen Revolte. In der Folgezeit erhielt der Reichsführer-SS Heinrich Himmler zusehends weitere Kompetenzen verliehen. Am 9.Juli wurde ihm die Befehlsgewalt über die Konzentrationslager übertragen, die zugleich mit SS-Wachmannschaften ausgestattet wurden. Am 20. Juli schließlich löste Hitler die SS aus ihrer Unterstellung unter die SA und erhob sie „im Hinblick auf die großen Verdienste … im Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni“ zu einer selbstständigen Organisation, die ihm künftig - ebenso wie der Reichsführer-SS selbst, der zugleich den Rang eines Reichsleiters erhielt - direkt unterstellt war. Himmler seinerseits konnte nunmehr mit dem Ausbau der SS zu einer mächtigen Organisation beginnen, deren Terror zu den wichtigsten Stützen des NS-Regimes werden sollte.
Am 26. Juli schob Hitler dann auch seinen Vizekanzler von Papen als „Sondergesandten“ nach Wien ab. Damit schied der auch aus dem Kabinett aus, woraufhin das Amt des Vizekanzlers wird nicht neu besetzt wurde.
Zugleich sah sich Rudolf Heß am 23. Juli zur Veröffentlichung eines „Erlasses gegen böswillige Denunzianten und Ehrabschneider“ genötigt, um so das ausufernde Denunziantentum weitestmöglich zu unterbinden. Insbesondere als Folge der Ereignisse des 30. Juni war es zu einem neuerlichen starken Anstieg gekommen, weil viele NSDAP- und SA-Mitglieder versuchten, sich durch Verunglimpfung von Parteifreunden Vorteile und bessere Positionen verschaffen zu können.
Andere wichtige Ereignisse traten hinter die Folgen des 30. Juni zurück. So wurde am 6. Juli Konstantin Hierl vom Reichspräsidenten zum „Reichskommissar für den Arbeitsdienst“ befördert, was eine erhebliche Aufwertung des Arbeitsdienstes bedeutete, der bis dahin von Arbeitsminister Seldte mitverwaltet wurde. Bereits knapp eine Woche später kündigte Hierl am 12 Juli die Einführung einer Arbeitsdienstpflicht im Jahr 1935 an und erklärte, dass er auch eine Arbeitspflicht für die weibliche Jugend für notwendig erachte.
Innenminister Frick verbot am 7. Juli „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit“ alle weiteren öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen im Rahmen des evangelischen Kirchenstreits in Form von Versammlungen, Presseartikeln und Flugblättern. Einzig ausgenommen hiervon wurden amtliche Kundgebungen von Reichsbischof Müller.
Eher am Rande dürfte notiert worden sein, dass Innenminister Frick am 9. Juli per Rundschreiben anordnete, den Film neben dem Buch künftig als gleichberechtigtes Lehrmittel im Schulunterricht einzusetzen.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Im Sommer wurden Jüdinnen und Juden immer häufiger von der Nutzung öffentlicher Einrichtungen ausgeschlossen. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um reichs- oder länderweit angeordnete Maßnahmen, sondern in aller Regel um lokale Initiativen. So wurde beispielsweise am 17. Juli Jüdinnen und Juden die Benutzung der städtischen Badeanstalt in der Kurstadt Bad Kissingen verboten.
Am dem 22. Juli galt eine neue Ausbildungsordnung für Juristen, die deren „arische Abstammung“ zur unabdingbaren Voraussetzung für die Zulassung zu den Prüfungen machte.