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Chronik und Quellen
1938
April 1938

Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938

Mit der Verordnung vom 26. April 1938 werden Juden unter Androhung von Geld- und Freiheitsstrafen verpflichtet, ihr Vermögen anzumelden.

Sie schuf die verwaltungstechnische Grundlage, um dem Staat den systematischen Zugriff auf jüdischen Besitz und eine erste Kontrolle der „Firmenarisierungen“ zu ermöglichen. Jeder Jude musste bis zum 30. Juni 1938 sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen bei der höheren Verwaltungsbehörde detailliert anmelden und bewerten. Dies galt auch für „arische“ Ehepartner.

Diese Verordnung etablierte nun erstmals offiziell eine Genehmigungspflicht für den Verkauf jüdischer Firmen.:

Auf Grund der Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes vom 18. Oktober 1936 (Reichsgesetzbl. I, S. 887) wird folgendes verordnet:

§ 1

(1) Jeder Jude (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 (Reichsgesetzbl. I, S. 1333) hat sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen nach dem Stande vom Tage des Inkrafttretens dieser Verordnung gemäß den folgenden Bestimmungen anzumelden und zu bewerten. Juden fremder Staatsangehörigkeit haben nur ihr inländisches Vermögen anzumelden und zu bewerten.

(2) Die Anmelde- und Bewertungspflicht trifft auch den nichtjüdischen Ehegatten eines Juden.

(3) Für jede anmeldepflichtige Person ist das Vermögen getrennt anzugeben.

§ 2

(1) Das Vermögen im Sinne dieser Verordnung umfaßt das gesamte Vermögen des Anmeldepflichtigen ohne Rücksicht darauf, ob es von irgendeiner Steuer befreit ist oder nicht.

(2) Zum Vermögen gehören nicht bewegliche Gegenstände, die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des Anmeldepflichtigen bestimmt sind, und der Hausrat, soweit sie nicht Luxusgegenstände sind.

§3

(1) Jeder Vermögensbestandteil ist in der Anmeldung mit dem gemeinen Wert anzuset­zen, den er am Tage des Inkrafttretens dieser Verordnung hat.

(2) Die Anmeldepflicht entfällt, wenn der Gesamtwert des anmeldepflichtigen Ver­mögens ohne Berücksichtigung der Verbindlichkeiten 5000 Reichsmark nicht über­steigt.

§ 4

Die Anmeldung ist unter Benutzung eines amtlichen Musters bis zum 30. Juni 1938 bei der für den Wohnsitz des Anmeldenden zuständigen höheren Verwaltungsbehörde ab­zugeben. Wenn im Einzelfall aus besonderen Gründen eine vollständige Anmeldung und Bewertung des Vermögens bis zu diesem Tage nicht möglich ist, so kann die höhere Verwaltungsbehörde die Anmeldefrist verlängern; in diesem Falle ist jedoch bis zum 30. Juni 1938 unter Angabe der Hinderungsgründe das Vermögen schätzungsweise an­zugeben und zu bewerten.

§ 5

(1) Der Anmeldepflichtige hat der höheren Verwaltungsbehörde unverzüglich jede Ver­änderung (Erhöhung oder Verminderung) seines Vermögens anzuzeigen, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung eintritt, sofern die Vermögensveränderung über den Rah­men einer angemessenen Lebensführung oder des regelmäßigen Geschäftsverkehrs hinausgeht.

(2) Die Anzeigepflicht gilt auch für diejenigen Juden, die beim Inkrafttreten der Verord­nung nicht zur Anmeldung und Bewertung verpflichtet sind, aber nach diesem Zeit­punkt Vermögen im Werte von mehr als 5000 Reichsmark erwerben. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.

§6

(1) Höhere Verwaltungsbehörde im Sinne dieser Verordnung ist

in Preußen                       der Regierungspräsident (in Berlin der Polizeipräsident),
in Bayern                           der Regierungspräsident,
in Sachsen                        der Kreishauptmann,
in Württemberg              der Minister des Innern,
in Baden                          der Minister des Innern,
in Thüringen                   der Reichsstatthalter, Ministerium des Innern,
in Hessen                         der Reichsstatthalter (Landesregierung),
in Hamburg                    der Reichsstatthalter,
in Mecklenburg              das Staatsministerium, Abt. Inneres,
in Oldenburg                   der Minister des Innern,
in Braunschweig             das Ministerium des Innern,
in Bremen                         der Senator für die innere Verwaltung,
in Anhalt                           das Staatsministerium, Abt. Inneres,
in Lippe                             der Reichsstatthalter (Landesregierung),
in Schaumburg-Lippe      die Landesregierung,
im Saarland                     der Reichskommissar für das Saarland.

(2) In Österreich tritt an die Stelle der höheren Verwaltungsbehörde der Reichsstatt­halter (Landesregierung). Er kann seine Befugnisse aus dieser Verordnung auf andere Stellen übertragen.

§7

Der Beauftragte für den Vier jahresplan kann die Maßnahmen treffen, die notwendig sind, um den Einsatz des anmeldepflichtigen Vermögens im Einklang mit den Belangen der deutschen Wirtschaft sicherzustellen.

§8

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig die nach den vorstehenden Vorschriften bestehende Anmelde-, Bewertungs- oder Anzeigepflicht nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig erfüllt oder einer auf Grund des § 7 erlassenen Anordnung zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft; in besonders schweren Fällen vorsätzlicher Zuwiderhandlung kann auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren erkannt werden. Der Täter ist auch strafbar, wenn er die Tat im Ausland begangen hat.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Neben der Strafe aus Abs. 1 und 2 kann auf Einziehung des Vermögens erkannt werden, soweit es Gegenstand der strafbaren Handlung war; neben der Zuchthausstrafe ist auf Einziehung zu erkennen. Kann keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so kann auf Einziehung auch selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen für die Einziehung vorliegen.

Berlin, den 26. April 1938.

Der Beauftragte für den Vierjahresplan
Göring
Generalfeldmarschall

Der Reichsminister des Innern
Frick

Anordnung auf Grund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens der Juden, 26. April 1938

Am gleichen Tagerließ der Beauftragten für den Vierjahresplan zum gleichen Sachverhalt eine Anordnung folgenden Inhalts:

Die Veräußerung oder Verpachtung eines gewerblichen sowie eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes und die Bestellung eines Nießbrauchs an einen solchen Betrieb bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, wenn an dem Rechtsgeschäft ein Jude als Vertragsschließender beteiligt ist. Das Gleiche gilt für Verpflichtungen zur Vornahme eines solchen Geschäfts. Die Neueröffnung eines jüdischen Gewerbebetriebes oder einer Zweigniederlassung eines solchen bedarf der Genehmigung.

Amtliches Muster für die Anmeldung des Vermögens von Juden, 14. Juni 1938

Am 14. Juni 1938 verschickte der Kölner Regierungspräsident Formulare zur Anmeldung jüdischen Vermögens an die ihm unterstellten Landräte. Zugleich wurde von ihm eine Presseerklärung verbreitet, laut der die Formulare nunmehr bei den Ortspolizeibehörden abgeholt werden können. Die Vermögenserklärungen, die von allen Anmeldepflichtigen im Regierungsbezirk Köln beim Regierungspräsidenten einzureichen waren, mussten bis zum 30. Juni 1938 abgegeben sein.

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