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Chronik und Quellen
1933
Juni 1933

Juni 1933

Der Monat begann mit einer weiteren, sicherlich sehr publikumswirksamen Maßnahme gegen die Massenarbeitslosigkeit. Am 1. Juni erließ die Reichsregierung ein „Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“, das nach dem hierfür verantwortlich zeichnenden Staatssekretär auch als „Reinhardt-Programm“ bezeichnet wurde und eine Milliarde RM für ein öffentliches Konjunkturprogramm zur Verfügung stellte. Da es reichsweit noch mehr als 5 Millionen Arbeitslose gab, sollten alle daraus resultierenden Arbeiten soweit eben möglich, „durch menschliche Arbeitskraft“ verrichtet werden. Zugleich wurde ein „Ehestandsdarlehen“ bis zu 1.000 RM eingeführt, das dann gewährt wurde, wenn die Frau nach der Eheschließung ihre Berufstätigkeit aufgab und sich verpflichtete, bis zur vollständigen Tilgung des Darlehens nicht zu arbeiten.

Den Menschen sollte zwar Arbeit gegeben werden, Mitspracherechte wurden aber rigoros abgeschafft. Am 22. Juni verdeutlichte Robert Ley als Führer der Deutschen Arbeitsfront den deutschen Arbeitern und Angestellten, wohin der künftige Weg gehen würde: Er forderte die „Säuberung“ sämtlicher Betriebsräte von oppositionellen Kräften und verkündete das Vertretungsmonopol der DAF: „Alle übrigen Vereine, auch sogenannte katholische und evangelische Arbeitervereine, sind als Staatsfeinde zu betrachten.“ Am 24. Juni wurden schließlich auch die Christlichen Gewerkschaften gleichgeschaltet.

Gleichschaltung und Verbote dominierten auch auf anderen Gebieten. Durch ein Abkommen zwischen Reichskanzler Hitler, Reichsarbeitsminister Seldte, Reichswehrminister von Blomberg und Vizekanzler von Papen verlor der „Stahlhelm“ am 21. Juni seine Selbstständigkeit und wurde in die NS-Bewegung eingegliedert. Die minderjährigen Mitglieder der Stahlhelm-Jugendorganisation „Scharnhorst-Bund“ wurden in die Hitlerjugend überführt. Dem Stahlhelm folgte alsbald eine weitere deutschnationale Kraft: Am 26. Juni erklärte der DNVP-Vorsitzende Alfred Hugenberg seinen Rücktritt als Wirtschaftsminister, woraufhin einen Tag später eine Delegation der „Deutschnationale Front“, wie die DNVP sich seit dem 3. Mai nannte, bei Hitler erschien und ein „Freundschaftsabkommen“ unterzeichnete, in dem die Auflösung der Partei erklärt wurde. Wiederum einen Tag später löste sich am 28. Juni die Deutsche Staatspartei auf.

Bereits am 22. Juni hatte Reichsinnenminister Frick die SPD verboten, wobei er diesen Schritt mit angeblich „hoch- und landesverräterischen“ Aktionen des SPD-Exilvorstands begründete. Damit verloren zugleich auch sämtliche bis dahin noch im Reichstag sowie in Landes- oder Kommunalparlamenten sitzenden Parteivertreter ihre Mandate. Sozialdemokratische Zeitungen und Zeitschriften durften ab sofort nicht mehr erscheinen. Dass kaum noch Aktionen gegen solche Maßnahmen möglich waren, belegte die „Blutwoche“ von Berlin-Köpenick, die in aller Deutlichkeit die Brutalität des NS-Regimes vor Augen führte. Vom 21. Juni an wurden hier zumeist von Angehörigen der SA-Standarten 15 und 33 mehr als 500 NS-Gegner verhaftet und – wie es verharmlosend heißt – „zur Vernehmung“ in das SA-Sturmlokal gebracht. Während einige schnell wieder entlassen wurden, sahen sich die meisten von ihnen stunden-, nicht selten tagelangen Verhören mit heftiger Prügel und anderen Quälereien ausgesetzt. Allein 9 Menschen wurden im Verlauf dieser Woche ermordet.

Auch gegen einen anderen vermeintlichen Gegner des Nationalsozialismus wurde im Juni aktiv vorgegangen: Nachdem am 8. Juni rund 28.000 Teilnehmer zum „Gesellentag“ der katholischen Kolpingvereine in München erschienen waren, wurde die Veranstaltung drei Tage später nach Schlägereien mit SA und SS noch vor dem Abschlussgottesdienst von der Tagungsleitung abgebrochen. Die Nationalsozialisten, so erklärte die Politische Polizei, hätten sich durch die einheitliche Kluft der Gesellen mit orangeroten Hemden provoziert gefühlt, weshalb man – angeblich zu deren Schutz - ein Uniformverbot verhängt habe. Am 12. Juni beschwerte sich der Münchener Kardinal Faulhaber wegen dieses Eingriffs in die religiösen Freiheiten.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 16. Juni wurde der politische Ausschuss der Reichsvertretung der deutschen Juden gegründet. Beteiligt daran waren dabei die drei wichtigsten politischen Organisationen der deutschen Juden: der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, die Zionistische Vereinigung für Deutschland und der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. Vorsitzende wurde Leo Baeck.

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