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Chronik und Quellen
1933
Februar 1933

Februar 1933

Auf Wunsch Hitlers unterzeichnete Reichspräsident Paul von Hindenburg am 1. Februar die Auflösungsverfügung für den Reichstag. In Hitlers – erstmals vom Rundfunk übertragener – Regierungserklärung hieß es hierzu, dass „14 Jahre Marxismus“ das Land „ruiniert“ hätten. Zugleich kündigte er – sicherlich nicht ohne öffentliche Wirkung – zwei große Vierjahrespläne zur „Rettung des deutschen Bauern“ und zur „Rettung des deutschen Arbeiters“ an. Auch die außenpolitischen Ziele dürften auf erhebliche Resonanz gestoßen sein, proklamierte Hitler doch die „Wahrung der Lebensrechte“ und die „Wiedererringung der Freiheit“ Deutschlands.

Einen Tag später wurde am 2. Februar ein Demonstrationsverbot über die KPD verhängt, tags darauf das Erscheinen der SPD-Zeitung „Vorwärts“ für einige Tage verboten. Damit begann der Prozess der Ausschaltung politischer Gegner bei gleichzeitiger Kontrolle der öffentlich artikulierten Meinung, denn bereits am 4. Februar unterzeichnete der Reichspräsident die Notverordnung zum „Schutz des deutschen Volkes“, durch die die Versammlungs- und Pressefreiheit in Deutschland erheblich eingeschränkt wurde. Es ging mit hohem Tempo weiter, denn am 6. Februar übertrug Hindenburg Franz von Papen per Notverordnung die Befugnisse der preußischen Landesregierung, womit der Landtag des mit Abstand größten deutschen Landes aufgelöst und dessen Neuwahl angesetzt werden konnte. Angesichts der dramatischen Ereignisse betonten SPD und der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund zwar immer wieder die Bereitschaft, ihre Rechte zu verteidigen, allerdings ohne zu präzisieren, wie ein solcher Widerstand in der Praxis aussehen könne. Da den politisch Verantwortlichen ein Generalstreik angesichts von sechs Millionen Arbeitslosen aussichtslos erschien, blieb es bei verbalen Ermutigungen.

Während auf politischer Ebene der Ausschaltungsprozess beschleunigt wurde, verschaffte sich Hitler auf militärischem Sektor wichtigen Rückhalt, indem er am 3. Februar 1933 vor führenden Vertretern der Wehrmacht ankündigte, diese weiter ausbauen und die allgemeine Wehrpflicht wieder einführen zu wollen. Das Militär, so betonte er zugleich, solle unpolitisch und überparteilich bleiben, wodurch er zu erkennen gab, dass er – sehr zur Beruhigung der Militärs – keinerlei Verbindung zwischen Wehrmacht und SA anstrebte. Auch führende deutsche Wirtschaftsvertreter fanden sich schnell zur Unterstützung des neuen Regimes bereit. Das zeigte sich, als Hitler und Göring am 20. Februar hohe Vertreter der deutschen Wirtschaft empfingen, um sie über die wirtschaftspolitischen Ziele der NSDAP zu informieren und zugleich zu Geldspenden für den Wahlkampf der NSDAP zu den bevorstehenden Reichstagswahlen aufzufordern. Die Anwesenden unterstützten den Wahlfonds der Regierungsparteien daraufhin mit immerhin drei Millionen RM.

Der Wahlkampf fiel entsprechend aufwändig aus. Zu dessen Auftakt veranstaltete die NSDAP am 10. Februar eine Kundgebung im Berliner Sportpalast, die – erstmalig für eine Parteiveranstaltung – vollständig im Rundfunk übertragen wurde. Im weiteren Verlauf des Wahlkampfs wurde der Rundfunk dann zum wichtigsten Propagandamittel. In 44 weiteren Sendungen – Hitler sprach nur noch in Orten mit direkten Sendemöglichkeiten – wurde die Bevölkerung, die die Übertragungen zu Hause, in Form von „Gemeinschaftsempfang“ oder auf zentralen Plätzen mittels dort installierter Großlautsprecher hörte, massiv beeinflusst.

Den Propaganda- und Vereinnahmungsbemühungen standen massive restriktive Maßnahmen gegenüber, zu deren Durchführung ganz offiziell Parteikräfte herangezogen wurden. Hierzu ordnete Hermann Göring als kommissarischer preußischer Innenminister, nachdem er bereits am 17. Februar die Polizeibehörden zur Unterstützung der „nationalen Bewegung“ aufgefordert hatte, am 22. Februar die Bildung einer „Hilfspolizei“ an. Ausgerechnet diese neue Kraft, die sich vor allem aus Angehörigen von SA, SS und Stahlhelm zusammensetzte, sollte die Polizei bei der Bekämpfung politischer Gewalt unterstützen! Außerdem sagte Göring Polizisten, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schusswaffe Gebrauch machen würden, volle Rückendeckung zu. Zugleich wurde die als „rot“ geltende preußische Polizei „gesäubert“, indem beispielsweise 22 der insgesamt 32 Obersten der Schutzpolizei entlassen wurden.

Diese die Rechtsstaatlichkeit schwer beeinträchtigenden Maßnahmen bekamen durch die Ereignisse des 27. Februar dann ein besonderes Gewicht. An diesem Tag brach gegen 21 Uhr ein Feuer im Reichstag aus, dem ein großer Teil des Gebäudes zum Opfer fiel. In der amtlichen Darstellung wurde das Geschehen propagandistisch als „Fanal zum blutigen Aufruhr und zum Bürgerkrieg“ aufgebauscht und seitens des NS-Regimes anschließend genutzt, um die Ausschaltung von Gegnern und die Abschaffung zentraler Bürgerrechte blitzartig voranzutreiben. Noch am Brandort selbst verbreitete Göring als offizielle Version, die KPD sei für die Brandstiftung verantwortlich, woraufhin allein in Berlin bis zum nächsten Morgen 130 Personen verhaftet und mehrere Razzien in Arbeitervierteln durchgeführt wurden.

Bereits am nächsten Tag unterzeichnet Reichspräsident von Hindenburg die überaus wirkungsmächtige „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“, die prägnant auch „Reichstagsbrandverordnung“ genannt wurde. Mit dieser Notverordnung wurden – angeblich zur „Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“ – wichtige Artikel der Verfassung dauerhaft außer Kraft gesetzt. Die persönlichen Freiheitsrechte einschließlich jenem zur freien Meinungsäußerung hatten fortan keine Geltung mehr, die Pressefreiheit wurde stark eingeschränkt und die Vereins- und Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Außerdem durften künftig das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis von Staats wegen verletzt, Hausdurchsuchungen durchgeführt und Eigentum auch außerhalb der bis dahin geltenden Grenzen beschlagnahmt werden.

Angesichts all dieser Ereignisse war bereits der Februar davon geprägt, dass zahlreiche renommierte Künstler und Kulturschaffende Deutschland dauerhaft verließen. Genannt seien hier nur die Brüder Heinrich und Thomas Mann, Oskar Maria Graf, Alfred Kerr oder Bertold Brecht und seine Frau Helene Weigel. Die Bücher der Emigranten verschwanden aus Buchhandlungen und Bibliotheken und wurden durch die Werke „völkischer“ Schriftsteller ersetzt. Damit folgten der Emigrationswelle nach dem 30. Januar eine zweite nach dem Reichstagsbrand mit seinen Folgen und schließlich eine dritte als Folge des Berufsbeamtentumsgesetzes im April 1933.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Das organisierte deutsche Judentum reagierte schnell auf die neue politische Lage: Am 12. Februar 1933 ernannte die seit Januar 1932 bestehende Reichsvertretung der jüdischen Landesverbände das fünfköpfige Präsidium der (alten) Reichsvertretung der deutschen Juden als eine Art Notausschuss, der ermächtigt wurde, das gesamte deutsche Judentum jederzeit gegenüber dem neuen Regime zu vertreten.

Währenddessen unternahm das neue Regime seinerseits erste konkrete gegen die jüdische Bevölkerung gerichtete Schritte. So wurde die bis dahin geltende Anordnungen an die Polizei, von der Ausweisung ausländischer oder staatenloser „Ostjuden“, die schon lange in Deutschland lebten, abzusehen, am 17. Februar aufgehoben.

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