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Chronik und Quellen
1939
Januar 1939

Januar 1939

Das nach außen hin wirkungsmächtigste Ereignis des Monats dürfte die Einweihung der Neuen Reichskanzlei am 9. Januar in Berlin gewesen sein. Mit einer Feier für 8.000 Bauarbeiter im Sportpalast wurde der Albert Speer konzipierte überdimensionale Bau der Öffentlichkeit vorgestellt und übergeben. Mit Außenmaßen von 421 x 402 Metern stellte er auf einer Grundfläche von mehr als 16.000 Quadratmetern 420 Räume zur Verfügung. Hitler selbst würdigte die Kanzlei als „die Bekrönung des großdeutschen politischen Reiches“. Wer ihn künftig persönlich aufsuchen durfte, hatte zuvor die beeindruckende 146 Meter lange und zwölf Meter hohe „Lange Halle“ zu durchschreiten.

Außenpolitisch dominierte das deutsch-polnische Verhältnis. Am 5. Januar empfing Hitler den polnischen Außenminister Oberst Józef Beck, wobei er erneut die Forderung zur Rückgabe Danzigs zum Ausdruck brachte. Am nächsten Tag konferierte Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop mit seinem polnischen Amtskollegen, der die deutschen Vorschläge jedoch ablehnte. Drei Wochen später besuchte von Ribbentrop dann Warschau – allerdings wiederum ohne greifbare Ergebnisse. Das Verhältnis der beiden Regierungen wurde zunehmend gespannter.

Ansonsten war der Januar von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bestimmt. So wurde das im Februar 1938 im Deutschen Reich eingeführte Pflichtjahr für unbeschäftigte weibliche Jugendliche in der Land- und Hauswirtschaft zum 1. Januar für alle ledigen Frauen unter 25 Jahren vor dem Antritt einer Arbeitsstelle obligatorisch. Im Saarbergbau wurde zum Jahresbeginn unter Tage der neunstündige und über Tage der zehnstündige Arbeitstag eingeführt; für Hüttenarbeiter galt künftig gar der Zwölfstundentag. In gleicher Stoßrichtung rief das Sozialamt der Deutschen Arbeitsfront (DAF) am 11. Januar alle „schaffenden Volksgenossen“ dazu auf, sich mit ihrer ganzen Kraft an jedem Ort zur Verfügung zu stellen und nicht durch selbsteingelegte Feierschichten gegen den Gedanken der „Volksgemeinschaft“ zu verstoßen. Und die Verordnung über die Beschäftigung Jugendlicher in bergbaulichen Betrieben gab ab dem 20. Januar schließlich die Möglichkeit zur Ausweitung der Arbeitszeit für Jugendliche unter 16 Jahren.

Deutliche Töne schlug Adolf Hitler an: Nachdem er am 30. Januar in einer von allen deutschen Rundfunksendern übertragenen Rede vor dem Reichstag zunächst die Leistungen des Jahres 1938 gewürdigt und die Rückgabe der durch den Versailler Vertrag verlorenen deutschen Kolonien gefordert hatte, kündigte er in relativer Offenheit die drohende Vernichtung der europäischen Juden an: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis (…) die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa sein.“

Anschließend griff Hitler noch NS-kritische Geistliche massiv an. Den Priester „als Diener Gottes“, so führte er aus, werde man beschützen, „den Priester als politischen Feind des Deutschen Reiches werden wir vernichten“. Die deutsche Presse, in der die Führer-Rede abgedruckt wurde, lobte sie als „klar und scharf“. Zuvor hatte Reichskirchenminister Hanns Kerrl am 26. Januar in einem Brief an den katholischen Bischof von Berlin, Konrad Graf von Preysing, offen kritisiert, dass sich die Kirche unzulässiger Weise in die Politik einmische.

Auch die Militarisierung der Gesellschaft wurde dadurch weiter vorangetrieben, dass ein Führer-Erlass am 19. Januar das SA-Sportabzeichen zum SA-Wehrabzeichen erhob. Künftig musste jeder deutsche Wehrpflichtige nach Vollendung des 17. Lebensjahrs als „sittliche Pflicht“ dieses Wehrabzeichen erwerben.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Der Januar und damit das Jahr 1939 begann mit einer zwar bereits zuvor bekannten, aber natürlich dennoch äußerst schmerzlichen und diffamierenden Neuerung: Ab sofort mussten jüdische Männer und Frauen den zusätzlichen Vornamen „Israel“ bzw. „Sara“ führen, falls sie nicht bereits einen - vom Reichsminister des Innern als „jüdisch“ definierten Vornamen tragen.

Nicht weniger schmerzlich werden viele die Folgen einer Anweisung des Reichswirtschaftsministeriums an die kommunalen Pfandleihanstalten empfunden haben, mit der am 16. Januar die Abgabe von Schmuckgegenständen und anderen Wertgegenständen auf der Grundlage der Verordnung vom 3. Dezember 1938 geregelt wurde, mit der die jüdische Bevölkerung gezwungen wurde, Schmuck und andere Gegenstände aus Edelmetall weit unter Wert zu veräußern.

Mit der „8. Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ war am 17. Januar auch das berufliche Ende für jüdische Zahnärzte, Apotheker und Tierärzte gekommen, deren Zulassungen zum Monatsende erloschen. Wie die jüdischen Ärzte durften nun auch die Zahnärzte - nun „Zahnbehandler“ genannt - ausschließlich jüdische Patienten behandeln.

Einen kleine, wenn auch nur sehr kurz währenden und keinesfalls nachhaltig wirkenden Lichtblick gab es für die im Rahmen der „Polen-Aktion“ Ende Oktober des Vorjahres Abgeschobenen. Ihnen wurde im Rahmen eines am 24. Januar zwischen der deutschen und der polnischen Regierung erzielten Übereinkommens erlaubt, zur Auflösung ihrer Geschäfte für kurze Zeit nach Deutschland zurückkehren, um hier schnellstmöglich ihre Betriebe abzuwickeln und ihr Vermögen flüssig zu machen, um danach den größten Teil an das Deutsche Reich abzuführen.

Am 24. Januar wurde die „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“ eingerichtet, die Reinhard Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei unterstellt wurde. Die Hauptaufgabe sollte darin bestehen, eine massive Auswanderung von Juden zu fördern. Am gleichen Tag wurde Heydrich von Hitler zudem damit beauftragt, „die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechenden, möglichst günstigen Lösung zuzuführen“ – was immer konkret darunter zu verstehen war.

Andere wichtige NS-Protagonisten meldeten sich im Monatsverlauf mit antisemitischen Beiträgen zu Wort. So forderte der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg die westlichen Demokratien am 15. Januar auf, den Juden ein Gebiet außerhalb Palästinas zuzuweisen, um dort „ein jüdisches Reservat einzurichten“. Im Berliner Sportpalast richtete der fränkische NS-Gauleiter und „Stürmer“-Herausgeber Julius Streicher am 25. Januar gemeinsam mit dem italienischen Staatsminister Roberto Farinacci heftige Angriffe gegen das Judentum und die angeblich judenfreundliche katholische Kirche. Den unrühmlichen Höhepunkt bedeutete in dieser Hinsicht die vielfach zitierte Rede, die Adolf Hitler am 30. Januar vor dem Reichstag hielt und in deren Rahmen der den Juden erstmals öffentlich ihre völlige Auslöschung androhte: „Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“

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