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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Erinnerungen an das Pogrom in Köln

A.G., 1921 geboren, berichtete 1983:

„1938. Zum Geschäft, zur Firma Gebr. Bing Söhne, am Neumarkt, ging ich täglich morgens zu Fuß hin und am Nachmittag wieder zurück. Der Weg führte über die Hindenburgbrücke (heute Deutzer Brücke), Heumarkt, Gürzenichstraße, Schildergasse, Neumarkt. So war es auch am 9. November. Doch, was sahen meine Augen? Ab Heumarkt lief ich nur über Scherben und musste um herumliegende Waren gehen. Ein Bild furchtbarer Verwüstung! Ich wusste nicht, was geschehen war. An den Geschäften, z.B. Michels, Kaufhof usw. standen uniformierte Posten. Sie hatten das Sturmband unter das Kinn gezogen. Ich wusste auch nicht, was das bedeuten sollte. Hauswände waren mit Parolen beschmiert. In Deutz hatte ich nichts beobachtet. Dort ging ich durch kleine Straßen, in denen sich kaum Geschäfte befanden. Als ich in meiner Firma ankam, war ich total erschüttert. Bei uns selbst war nichts passiert. Es handelte sich um ein Etagengeschäft. - Das war die ‚Reichskristallnacht‘!

An diesem Morgen kamen unser Chef, Fritz Bing, seine Nichte Frau Rothschild (sie war bei uns angestellt) und die übrigen jüdischen Angestellten nicht ins Geschäft. Seit diesem 9. November sahen wir niemanden mehr wieder. Herr Bing war ein vorbildlicher Firmenleiter und Personalbetreuer. Er wusste alle Probleme mit Leichtigkeit zu lösen. Mit den jüdischen Mitarbeitern gab es nie Probleme. Alle waren liebenswürdig und hilfsbereit. Für die Lehrlinge jederzeit bereit, Auskunft zu geben und Fragen zu beantworten. Mir gefiel es sehr gut dort. Ab dem 9. November wurde unsere Firma von einem arischen Chef kommissarisch verwaltet.“

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