Erinnerungen an das Pogrom in Köln
Die 1924 geborene E.A. erinnerte sich 1988 an seine Erlebnisse während des Pogroms:
„Am Vormittag dieses Tages befand ich mich auf dem Marsilstein. Ich war 14 Jahre alt. In meinem Blickfeld lag vor allem das Bettengeschäft Stern. Scheiben klirrten, große Gegenstände und Bettzeug flogen in Massen aus den Fenstern. Ich sah die Männer, die sich zu dieser niedrigen Brutalität hergaben. Der Lärm der Zerstörung war schrecklich. Ich erinnere mich an eine Geschäftsfrau - in der Regel sehr auf Würde bedacht - die lachte und mit den Füßen trampelte. Sie konnte nicht genug Leute herbeirufen, die sich dieses Wüten ansehen sollten. Die Worte schienen ihr nicht zu reichen, um ihrem Vergnügen Ausdruck zu geben. (…)
Wir wohnten in der Lütticher Straße. Diese Gegend wurde gutmütig ‚Klein-Palästina‘ genannt, weil dort viele Juden wohnten. Sehr gediegene Leute waren das. Das Haus neben uns war m.W. völlig von Juden bewohnt. Von unserer Küche aus konnten wir in deren Küchen hineinsehen. An diesem Mittag sah ich dort laut weinende und klagende Menschen, deren Unglück und Elend so ungeheuer war, dass keine Scham sie mehr zurückhielt. Ich stand am Fenster und starrte hinüber. Mir kam gar nicht in den Sinn, dass ich mich ungehörig benahm. Angesichts dieses Unmaßes von Unrecht und Not versagen normale Ausdrucksmöglichkeiten.
Ein Bruder war auch zum Essen nach Hause gekommen. Es gab Spinat und Eier. Die Erinnerung hat sich mir eingebrannt, als gehöre sie untrennbar dazu, wie ein wichtiges Bestandteil. Ich sehe das Bild vor mir, mein Bruder auf der einen Seite des Tisches, unbeweglich, auf der anderen meine Mutter. Sie wiederholte immerzu: ‚Das Essen ist fertig, wir können essen, setzt euch, esst doch ...‘ Sie redete das monoton vor sich hin, ihre Arme hingen hilflos herunter. Niemand reagierte. Niemand sagte auch nur ein Wort der Empörung. Das Entsetzen war zu groß.
Eine bestimmte Erinnerung habe ich an die Starre, die Lähmung, in der ich mich befand. Erst in der Situation zu Hause fing ich an zu begreifen, dass dieses Ungeheuerliche Wirklichkeit war.
Ich sah die Synagoge in der Roonstraße brennen. Noch heute habe ich die Flammen vor dem Nachthimmel vor Augen.“