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Chronik und Quellen
1942
Juni 1942

Lagebericht der Gestapo-Litzmannstadt Juni 1942

Die Gestapo Litzmannstadt berichtete am 2. Juli 1942 Folgendes über die Situation im dortigen Getto im Juni 1942:

„Litzmannstadt, 2. Juni 1942

Juden

Im Berichtsmonat haben die Ghettobewohner keine Veranlassung zu staatspolizeilichem Einschreiten gegeben, obwohl mit der durchgeführten Evakuierung eine gewisse Unruhe in die jüdische Bevölkerung hineingetragen worden ist. Die seit Monaten zugunsten der Evakuierung verfügte Postsperre wird nach wie vor mit größter Aufmerksamkeit durchgeführt, so daß der einzelne Jude keine Möglichkeit hat, mit der Außenwelt in Verbindung zu treten. Alle noch anfallenden Briefe werden sichergestellt und unverzüglich vernichtet. Durch die starke Verwandtschaft der Juden, die in allen Erdteilen vertreten ist, fallen außer den Briefen noch laufend Liebesgabenpäckchen an, die vorwiegend mit Genuß- und Lebensmitteln gefüllt sind. Auch diese Päckchen werden sichergestellt und der Ghettoverwaltung zur weiteren Verwertung zugeführt, die sie an die Lazarette weiterleitet.

Im Zuge der Erfassung des noch versteckt gehaltenen bzw. vergrabenen Judengutes wurden im Monat Juni neben größeren Mengen Textilien, Wertgegenständen aller Art sowie Haushaltungsgeräten auch 410 Golddollar sichergestellt. Durch das starke Nachlassen der Widerstandsfähigkeit der Juden ist auch die Arbeitsleistung zum Absinken gekommen. In diesem Zusammenhange hat nunmehr der Älteste der Juden alle über 10 Jahre alten Kinder zum Arbeitseinsatz gebracht, um die Lieferungstermine der Heeresaufträge genauestens einzuhalten. Trotz der schlechten Ernährungslage sind die Juden immerhin noch bestrebt, eine einwandfreie Arbeit zur größten Zufriedenheit auszuführen. Für die laufenden Heeresaufträge werden im hiesigen Ghetto etwa 70.000 Juden beschäftigt, die bis Ende dieses Jahres in drei Arbeitsschichten voll ausgenutzt werden können.

In Anbetracht des Vorjahres hat sich der Gesundheitszustand der Juden um das Dreifache verschlechtert, obwohl der Älteste der Juden alle erdenklichen Vorkehrungen trifft, seine Rassegenossen arbeitsfähig zu erhalten. Schon seit Monaten ist die durchschnittliche Sterbezahl der Juden auf 1.800 angestiegen, die auch nach dem Eintritt der wärmeren Jahreszeit nicht zum Absinken gekommen ist.

Im Monat Juni sind 1.725 Juden gestorben. Von den Todesfällen entfallen 397 auf Lungentuberkulose, 368 auf Herzschwäche, 425 auf Unterernährung, 14 auf Fleckfieber, 24 auf Ruhr, und 497 Sterbefälle verteilen sich auf allgemeine Erkrankungen.

Der Sterbeziffer stehen 4 9 Geburten gegenüber, davon 5 Totgeburten.

Ein anderes Bild ergibt sich bei den Juden in den Landkreisen, die nur mit den schärfsten Strafen in den Schranken gehalten werden können, weil sie immer wieder versuchen, ihre Wohngebiete widerrechtlich zu verlassen, um über die nahegelegene grüne Grenze des Generalgouvernements zu entkommen. In einem Falle konnten aus dem Landkreis Welungen sechs Juden beim Überschreiten der Gouvernementsgrenze festgenommen werden, wovon einer auf der Flucht erschossen wurde. Die Juden werden demnächst der Sonderbehandlung zugeführt. Aus der im Landkreis Schieratz gelegenen Stadt Wartha waren im Berichtszeitraum neun Juden abgängig gemeldet, die sich landstreichend im Bezirk umhertrieben. Als Abschreckungsmaßnahme ist gegen die Juden beim RSHA Sonderbehandlung beantragt, um ihnen ein weiteres schärferes Durchgreifen begreiflich zu machen.“

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