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Chronik und Quellen
1941
November 1941

"Erfahrungsbericht" eines Hauptmanns der Schutzpolizei über Deportationen nach Litzmannstadt

Am 13. November 1941 verfasste der Hauptmann der Schutzpolizei Künzel den folgenden "Erfahrungsbericht":

"Litzmannstadt, den 13.11.1941

Ak. Nord
- Ia (J) -

Erfahrungsbericht

Betrifft: Einweisung von 20.000 Juden und 5.000 Zigeunern in das Ghetto Litzmannstadt

Bezug: Sonderbefehle - S Ia (J) - vom 14.10. und 5.11.41

I. Juden:

In der Zeit vom 16.10.41 bis einschließlich 4.11.41 wurden auf dem Bahnhof Radegast 19.827 Juden aus dem Altreich in Empfang genommen und in das Ghetto eingewiesen. Die Juden (in der Mehrzahl ältere Frauen und Männer) trafen in 20 Transporten mit durchschnittlich 1.000 Personen mit Sonderzügen der Reichsbahn (Personenwagen) in der vorgenannten Zeit täglich hier ein.

Es kamen an:

5 Transporte aus Wien mit 5.000 Juden,
5 Transporte aus Prag mit 5.000 Juden,
4 Transporte aus Berlin mit 4.187 Juden,
2 Transporte aus Köln mit 2.007 Juden,
1 Transport aus Luxemburg mit 512 Juden,
1 Transport aus Frankfurt a.M. mit 1.113 Juden,
1 Transport aus Hamburg mit 1.034 Juden,
1 Transport aus Düsseldorf mit 983 Juden.

20 Transporte         insgesamt 19.836 Juden.

Die Juden waren fast ausnahmslos gut gekleidet; sie führten durchschnittlich pro Person 50 kg Gepäck mit sich. Über die berufliche Zusammensetzung der eingewiesenen Juden ist dem Abschnittskommando nichts bekannt. Die Einweisungspapiere, das mitgeführte Geld (pro Person 100,-- RM) wurden durch den Transportführer den Beamten der Geheimen Staatspolizei Litzmannstadt übergeben (Kommissar Fuchs). [...]

Wie ich aus beiliegender Einweisungsübersicht zu ersehen bitte, trafen die Sonderzüge in keinem Fall zu den im Sonderbefehl (Zeitplan) vom 14. 10. 1941 angeführten Zeiten auf dem Bahnhof in Radegast ein. Die Verspätungen bewegten sich zwischen 60-470 Minuten und abgesehen von Verspätungen, die sich wohl aus betriebstechnischen Gründen nicht vermeiden ließen, ist in manchen Fällen das verspätete Eintreffen der Sonderzüge auf hier nicht nachprüfbare Ursachen, die im Bahnhof Widzew entstanden sind, zurückzuführen. Dadurch war es öfter nötig, dass die erforderlichen Kräfte [der Schutzpolizei] weitaus mehr als notwendig, zumeist zu früh, eingesetzt werden mussten. Verzögernd wirkte ferner noch, dass das Ausladegleise mit Güterwagen verstellt war und durch die den Sonderzug ziehende Lokomotive erst frei gemacht werden musste. So kam es vor, dass mit dem Ausladen erst nach Eintritt der Dunkelheit begonnen werden konnte. [...]

Das Ausladen geschah in der Weise, dass jeweils die Juden aus 6 Eisenbahnwaggons zu einem Trupp zusammengestellt und von 2 Schutzpolizeibeamten bis zum Ghettotor begleitet wurden. Zu allen Transporten wurden ferner der jüdische Ordnungsdienst und der jüdische Arbeitsdienst zugezogen. Der jüdische Ordnungsdienst hatte die einzelnen Trupps im Ghetto zu den Auffanglagern zu führen. Das Gepäck wurde durch den jüdischen Arbeitsdienst ausgeladen und auf Fahrzeugen der Ghettoverwaltung in das Ghetto gebracht. Zur Beförderung von schwachen, alten und kranken Juden standen einige Droschken aus dem Ghetto zur Verfügung. Diese Juden wurden durch jüdische Ärzte in Empfang genommen.

Trotz ungünstiger Witterung und der Schwierigkeiten, die sich dadurch boten, dass eine große Anzahl der Eisenbahnwagen nur zweitürig war und die Gänge sowie Ausgänge sehr häufig mit Gepäckstücken verstellt waren, wickelte sich das Ausladen und der Transport der Juden zum Ghetto in kürzester Zeit reibungslos ab. [...]

Der Herr Regierungspräsident Uebelhoer und der Polizeipräsident, SS-Brigadeführer Dr. Albert, besichtigten die Auffanglager der Juden im Ghetto. Beim Ausladen der Juden und Zigeuner waren einige Male zugegen:

1. Herr  Regierungsvizepräsident Dr. Moser,
2. Herr  Polizeipräsident, SS-Brigadeführer Dr. Albert,
3. Herr  Oberst und Kommandeur der Schutzpolizei Keuck,
4. Herr  Oberstleutnant und stellv. Kommandeur der Schutzpolizei Roese,
5. ferner Herren der Gestapo, Kripo und der Ghettoverwaltung.

i . V .
(Unterschrift)
Hauptmann der Schutzpolizei und stellv. Abschnittskommandeur“

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