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Chronik und Quellen
1941
Oktober 1941

Bericht über die Organisation der Deportation in Köln 1941/42

Im Jahr 1954 entstand im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ein Bericht über die Organisation der Deportation in Köln sowie über die Lage der im Herbst und Winter 1941 in der Kölner Messe zusammengezogenen Juden, der später dem Archiv von Yad Vashem übergeben wurde, wo er archiviert ist. Darin heißt es:

„Die Transportvorbereitungen ließ man die Kölner Jüdische Gemeinde durchführen. Zu diesem Zweck bestellte ein Sachbearbeiter des Judenreferats der Gestapo einen Sekretär der Jüdischen Gemeinde zur Dienststelle. Diesem wurde aufgegeben, einen den Anordnungen des RSHA entsprechenden Transport zusammenzustellen. Wenn das RSHA den Abtransport bestimmter Personengruppen angeordnet hatte, so mußte er unter seinen Kölner Glaubensgenossen eine entsprechende Auswahl treffen. Auch die Unterrichtung der für den Abtransport vorgesehenen Personen mußte die Jüdische Gemeinde allein durchführen. In einem solchen Benachrichtigungsschreiben der Bezirksstelle Rheinland der Reichsvereinigung (der Juden) in Deutschland - Büro Köln - wurde dem Empfänger mitgeteilt, daß er sich für einen ‚Abwanderungstransport‘ zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Messehalle in Köln zu stellen habe. Ferner erhielt der Empfänger nähere Weisung über die Abgabe zu einer Vermögenserklärung für jedes Familienmitglied, die Mitnahme von 10,-- RM und nach dem ersten Transport von 50,-- RM je Person und die Ablieferung gemeldeter Schreibmaschinen und Fahrräder. Jeder für einen Transport vorgesehene Jude mußte entsprechend der ihm gegebenen Weisung die Vermögensaufstellung und die gemeldeten Schreibmaschinen und Fahrräder abliefern. Die Jüdische Gemeinde hatte eine listenmäßige Zusammenstellung aller abzutransportierenden Juden bei der Gestapo einzureichen.

Am befohlenen Gestellungstage - zumeist am Vortage des Abtransportes - hatten sich die zum Abtransport eingeteilten Juden, gleichgültig ob Männer, Frauen, Kranke, Gehbehinderte, Greise oder Kinder, auf dem Messegelände in Köln-Deutz einzufinden. Wer sich nicht freiwillig einfand, wurde abgeholt, falls man seiner habhaft werden konnte. Eine oder mehrere der großen Messehallen wurden mit Stacheldraht abgesperrt und von den Angehörigen der Polizei oder SS umstellt. Dort wurden die zur Verschleppung ausersehenen Juden listenmäßig erfaßt. Zur Erledigung dieser und weiterer Arbeiten wurden nahezu das gesamte Personal der Kölner Staatspolizeistelle und Angehörige der Polizei, Kriminalpolizei, des Arbeitsamtes und des Oberfinanzpräsidenten herangezogen. In der Reihenfolge der Aufnahme in die Listen erhielten die Juden eine sogenannte Evakuierungsnummer, die sie anheften und mit der sie ihr Gepäck beschriften mußten. Das Gepäck wurde durchsucht. Geld, teilweise auch das erlaubte Zehrgeld, Schmuck, Ringe, mit Ausnahme der Eheringe, Medikamente wurden abgenommen. Angehörige des Arbeitsamtes sammelten Arbeitsbücher, Invalidenkarten und Steuerkarten ein. Die Juden, die sich alle einzeln vor dem Abtransport schriftlich wahrheitswidrig kommunistischer Betätigung bezichtigen mußten, erhielten durch einen anwesenden Gerichtsvollzieher eine schriftliche Verfügung des Regierungspräsidenten als zugestellt ausgehändigt, durch die das gesamte Vermögen auf Grund § 1 des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 in Verbindung mit weiteren Vorschriften zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen wurde.

Bis zur Abfahrt des jeweiligen Transportzuges mußten sich die durch die verschiedenen Kontrollen durchgeschleusten Juden, die sich teilweise auch Leibesvisitationen gefallen lassen mußten, in einer der Messehallen aufhalten. Ein Entweichen war wegen der Absperrung und der Bewachung nicht möglich. Die so eingesperrten Menschen konnten sich auf aufgeschüttetem Stroh und Sägespänen lagern. In den Wintermonaten war die Messehalle ungeheizt. Marschverpflegung wurde durch die Jüdische Gemeinde ausgeteilt, der auch die Beköstigung der wartenden Menschen oblag. Während der Kontrollen und der Wartezeiten kam es wiederholt dazu, daß Juden geschlagen, getreten und beschimpft wurden. Wenn die befohlene Zahl der abzutransportierenden Menschen nicht erreicht war, wurden solche Menschen dem Transport eingereiht, die als ‚Ersatz‘ zusätzlich ebenfalls zur Messe beordert worden waren. Überzählige Ersatzpersonen wurden nach langem Warten zurückgeschickt. Kurz vor der Abfahrt des Transportzuges wurden die zum Transport gehörigen Juden unter Bewachung, teilweise unter Schlägen und Beschimpfungen, zum nahegelegenen Bahnhof Köln-Deutz und alsdann in alte Personenwagen geführt. Anfangs kamen in jedes Abteil des Waggons acht, später zehn und mehr Menschen. Ein oder zwei Güterwagen wurden mitgeführt für Gepäck. Die Türen der Waggons wurden vor der Abfahrt von außen verschlossen. Unterwegs, meistens auch während der häufigen und langen Halte, wurden die Türen verschlossen gehalten. Allenfalls durften besonders dazu ermächtigte Juden ihre Waggons zum Wasserholen oder ähnlichen dringenden Gängen verlassen. Jeder Zug wurde von einem uniformierten, bewaffneten Kommando begleitet, das den jeweiligen Transport am Bestimmungsort den dortigen SS-Leuten oder tschechischen Polizisten zu übergeben hatte. Kranke, Gebrechliche, Greise, Kinder und andere Hilfsbedürftige wurden nicht besser als die Gesunden behandelt. Schon in der Messe, aber auch auf dem Transport traten Todesfälle ein.“

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