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Chronik und Quellen
1942
August 1942

August 1942

Beim Vormarsch auf den Kaukasus erreichten deutsche Verbände am 3. August den Kuban und eroberten schon sechs Tage später die Ölfelder von Maikop, worauf Hitler die Zweiteilung der Kaukasusfront anordnete. Das Vordringen auf diesem nun extrem auseinandergezogenen Frontabschnitt kam daraufhin zu Monatsende hin zum Erliegen. Mit einem Angriff der deutschen 6. Armee unter Generalleutnant Friedrich Paulus hatte am 7. August im Rahmen der Stalingrad-Offensive bei Kalatsch zudem eine bis zum 11. August dauernde Kesselschlacht begonnen, in deren Verlauf 35.000 sowjetische Soldaten in Kriegsgefangenschaft gerieten. Am 15. erreichte Paulus schließlich bei Sirotinskaja den Don, woraufhin er wiederum vier Tage später den Befehl zum Angriff auf Stalingrad erteilte, dessen Name dann am 24. des Monats erstmals im Wehrmachtsbericht genannt wurde. An der Leningrad- und der Wolchowfront im Norden begann am 27. August hingegen eine sowjetische Offensive, die zu einem Einbruch in die Stellungen der Wehrmacht bei Schlüsselburg (Petrokrepost) führte.

An der nordafrikanischen Al-Alamain-Front startete die deutsch-italienische Panzerarmee Afrika unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel am 30. August eine letzte Offensive, die aber schon nach kurzer Zeit, nämlich am 2. September, abgebrochen werden musste.

Sicher fühlte man sich deutscherseits hingegen im Westen. Der von der „Organisation Todt“ errichtete „Atlantikwall“ von Biarritz an der spanisch-französischen Grenze bis Kirkenes in Nordnorwegen galt nämlich mit Datum vom 1. August nach zweijähriger Bauzeit im Wesentlichen als fertiggestellt. 200.000 Arbeiter hatten monatlich rund 500.000 Kubikmeter Stahlbeton in den Befestigungsanlagen verbaut. Die deutsche Propaganda feierte dieses 630 Kilometer lange Befestigungswerk mit Bunkern und Kampfständen als modernstes seiner Art und als unüberwindliches Hindernis gegen alliierte Landungsversuche an der französischen Westküste. In der ebenfalls am 1. August in den Kinos präsentierten 150. Kriegswochenschau wurde, um steigender Unruhe entgegenzuwirken, neben den gewohnten Einblicken in die verschiedenen Frontabschnitte im Osten, im Westen und in Afrika vor allem Bilder gezeigt, die die Unüberwindbarkeit des „Atlantikwalls“ suggerieren sollten. Das schien sich tatsächlich bereits knapp drei Wochen später zu bestätigen, als am 19. August französische und kanadische Streitkräfte bei Dieppe zu landen versuchten, ein Vorhaben, dass durch den Widerstand der deutschen Küstenbatterien in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe aber nach nur neun Stunden zurückgeschlagen wurde.

Was für Bodentruppen galt, traf auf den Luftraum aber nicht einmal in Ansätzen zu. Dort begann der August, wie der Juli geendet hatte: mit Angriffen der Royal Air Force. So wurde am 1. des Monats Düsseldorf schwer getroffen. Daraufhin besuchte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels vom 7. bis zum 10. August die durch britische Luftangriffe in den letzten Monaten besonders schwer getroffenen Städte Aachen, Köln und Düsseldorf, um dort den Durchhaltewillen der „Heimatfront“ zu festigen. In Köln führte er dabei vor 15.000 Rüstungsarbeitern aus, dass das alles „im Sinne einer höheren Kriegsführung“ ertragen werden müsse. Zugleich brachte er sein propagandistisch motiviertes Vertrauen zum Ausdruck, „dass meine rheinischen Mitbürger diese Notwendigkeit verstehen und billigen“ würden. Da er aus den Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS genau über die wachsenden Zweifel in der Bevölkerung informiert war, behauptete Goebbels abschließend, die britische Luftoffensive sei die letzte verzweifelte Aktion eines bereits geschlagenen Gegners.

Die Angriffe gingen jedoch – offenbar immer ungestörter von deutschen Abwehrversuchen – weiter. So griffen britische Bomber in den Morgenstunden des 25. August Frankfurt a.M. und Mainz an; bei einem drei Tage später durchgeführten weiteren Angriff auf München kamen 144 Menschen ums Leben. Am gleichen Tag flog die Royal Air Force weitere Angriffe auf Saarbrücken und Kassel. Außerdem drohte von Osten ähnliches Ungemach: Am 26. Angriffe bombardierte die sowjetische Luftwaffe Berlin, Stettin, Königsberg und Danzig.

Um Unzufriedenheit und daraus eventuell erwachsender Resistenz wirkungsvoll entgegenwirken zu können, wurde der Justizapparat im Reichsgebiet weiter radikalisiert. Dazu trug erheblich bei, dass Otto Georg Thierack, bisher Präsident des Volksgerichtshofes in Berlin, am 20. August zum Justizminister berufen wurde. Dabei wurde er von Hitler ausdrücklich ermächtigt, sich im Interesse „nationalsozialistischer Rechtspflege“ über bestehende Gesetze hinwegzusetzen. Die Konsequenzen einer solchen Vollmacht umriss Thierack in seinem Antrittserlass: „Jedem Richter ist es unbenommen, sich an mich zu wenden, wenn er glaubt, durch ein Gesetz gezwungen zu sein, ein lebensfremdes Urteil zu fällen. In einem solchen Notfall wird es meine Aufgabe sein, das Gesetz zur Verfügung zu stellen, das erforderlich ist.“ Damit wurden Richter endgültig zu Erfüllungsgehilfen degradiert und die völlige Rechtlosigkeit von Angeklagten festgeschrieben. Am gleichen Tag folgte im Übrigen Roland Freisler, seit 1935 Staatssekretär im Reichsjustizministerium, Thierack als Präsident am Volksgerichtshof. In dieser Funktion wird er sich wegen seiner rücksichtslosen Auslegung der NS-„Rechts“-Grundsätze und der üblen Behandlung von Angeklagten bald den Ruf eines „Blutrichters“ erwerben.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 15. August legte das Reichsfinanzministerium fest, dass das Vermögen „abgeschobener Juden“ mit deren Grenzübertritt im Zuge von deren Deportation dem Deutschen Reich zufallen würde. Auch vorherige Übertragungen von Vermögenswerte an andere Personen waren damit nunmehr nahezu unmöglich, denn sie wurden erst dann wirksam, sind nur rechtswirksam, „wenn sie vor dem Verfall vollzogen wurden und die Genehmigung der Devisenstelle vorlag“.

Am 21. August verschärfte das Reichssicherheitshauptamt die Meldepflicht für die jüdische Bevölkerung, um so etwaige Hilfeleistungen zu unterbinden und deren Erfassung im Zuge der „Endlösung“ noch effektiver gestalten zu können. Künftig hatten Personen, „die nicht ordnungsmäßig gemeldete Juden beherbergen“, mit harten „staatspolizeiliche Maßnahmen“ zu rechnen. Diese Anordnung wird am 11. September wiederholt.

Ansonsten wurden die Machthaber auch im August nicht müde, die Diskriminierungen auf immer absurder wirkende, für die Betroffenen aber stets auch spürbare Höhen zu treiben. So wurde jenen Jüdinnen und Juden in Dresden, die den „Judenstern“ tragen mussten, am 22. August der Kauf von Speiseeis verboten. Zwei Tage später wurde das Abhalten von Gottesdiensten an den bevorstehenden hohen jüdischen Feiertagen untersagt. Wiederum zwei Tage darauf wurde „deutschblütigen Hausangestellten“ - gleich welchen Alters - mitgeteilt, dass sie jede Form der Beschäftigung in jüdischen Haushalten aufzugeben hatten, wobei diese Anordnung auch auf Familien Anwendung fand, die in „privilegierter Mischehe“ lebten.

Die Deportationen aus den von der Wehrmacht besetzten westeuropäischen Staaten fanden ihre Fortsetzung. Am 4. August wurden erstmals 998 Juden aus Belgien deportiert. Ziel dieses und der meisten folgenden Transporte war Auschwitz.

Auch im „Generalgouvernement“ ging das Morden ungebremst weiter. Aus dem Distrikt Radom wurden zwischen dem 4. August und 7. November 1942 zwischen 310.000 und 325.000 Juden nach Treblinka deportiert und dort umgebracht.

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