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Chronik und Quellen
1942
Juni 1942

Juni 1942

Am 7. Juni begann auf der Krim der deutsche Angriff auf Sewastopol. Am 22. des Monats startete die Heeresgruppe Mitte im Raum südöstlich von Charkow eine Teiloffensive, die vier Tage später erfolgreich abgeschlossen wurde. Am 28. Juni wurde dann schließlich mit einem Angriff östlich von Charkow und Kursk die deutsche Sommeroffensive erööfnet, deren Ziel die Erreichung des Wolgaknies bei Stalingrad war, um von dort zu den kaukasischen Ölfeldern vorzudringen.

Auch in Nordafrika schien es endlich wieder vorwärts zu gehen. Am 10. Juni eroberten deutsch-italienische Panzertruppen unter Befehl von Erwin Rommel das Fort Bir Hacheim, den südlichsten Eckpfeiler der britischen Frontlinie. Am 21. erstürmten Rommels Truppen dann die Festung Tobruk, woraufhin der zum Generalfeldmarschall beförderte deutsche Befehlshaber am nächsten Tag die Stellungen der Briten bei Al Alamein sowie die Städte Alexandria und Kairo zu weiteren Angriffszielen bestimmte. Schon am 23. Juni erreichte die deutsch-italienische Panzerarmee die libysch-ägyptische Grenze, am 30. dann rund 150 km westlich von Alexandria die britischen Stellungen bei Al Alamein.

Als Vergeltung für das Attentat auf Reinhard Heydrich am 27. Mai machten Einheiten der deutschen Sicherheitspolizei den nördlich von Prag gelegenen kleinen Ort Lidice am 10. Juni dem Erdboden gleich und ermordeten sämtliche 199 männliche Einwohner ab einem Alter von 15 Jahren. Die Frauen und Kinder wurden in die KZs Ravensbrück und Auschwitz verschleppt. Als fadenscheinige Begründung wurde von deutscher Seite behauptet, die Ortsbewohner hätten den Attentäter Unterschlupf gewährt. Die wiederum wurden acht Tage später von SS-Einheiten in einer Prager Kirche aufgespürt und erschossen. Es folgten Standgerichte der Waffen-SS in den Städten Prag und Brünn, die am 20. Juni 75 weitere Personen wegen „reichsfeindlicher Handlungen“ zum Tode verurteilen. Diese umfangreichen Racheaktionen wurden keineswegs vor der deutschen Bevölkerung geheim gehalten. Im Gegenteil: Am 25. Juni berichtete etwa die Berliner Zeitung „Neuer Tag“ davon, dass die SS tags zuvor die Ortschaft Lezaky südlich von Pardubice völlig zerstört habe, wobei – wie in Lidice – die erwachsenen Bewohner „standrechtlich erschossen“ worden seien. Am 1. Juli veröffentliche das „Svenska Dagbladet“ die grausame Bilanz, nach der im Zuge der deutschen Terrormaßnahmen allein 823 Tschechen von Sondergerichten zum Tode verurteilt worden waren. Hinzu kamen die ungezählten Opfer willkürlicher Erschießungen und Misshandlungen.

Im Reichsgebiet fand der Luftkrieg seine Fortsetzung. Zum Monatsbeginn griffen große Verbände der Royal Air Force Ziele in den Ruhrgebietsstädten Duisburg, Essen und Oberhausen an. Am 20. Juni folgte ein Angriff auf die Hafenstadt Emden, sechs Tage später ein starkes Bombardement von Bremen. In der nächsten Nacht flog dann wiederum die deutsche Luftwaffe als Vergeltung einen Angriff auf Norwich.

An der „Heimatfront“ wurde weiter gesammelt. Am 1. Juni wurde eine bis zum 15. des Monats befristete Sammlung von Altkleidern und Spinnstoffen für Beschäftigte in der Rüstungsindustrie durchgeführt, durch die nach offiziellen Angaben 51.000 Tonnen an Bekleidungsgegenständen zusammengetragen wurden. Unter dem Motto „Räder müssen rollen für den Sieg!“ startete die Reichsbahn zum Monatsbeginn außerdem eine neuerliche Kampagne zur Einschränkung des privaten Reiseverkehrs zugunsten von Rüstungstransporten. In ungezählten Appellen wurde die Bevölkerung zu Beginn der Urlaubszeit aufgefordert, möglichst auf jegliche Reisetätigkeit zu verzichten. Am 23. Juni begann im Reichsgebiet unter dem Slogan „Kampf dem Kohlenklau“ schließlich eine große und langfristig angelegte Propagandaaktion zur Einsparung von Strom, Gas und Heizmaterial. An Litfaßsäulen, auf Häuserwänden, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf Flugzetteln und Streichholzschachteln wurde mittels einer hässlichen, deutlich mit antisemitischen Zügen ausgestatteten Figur des „Kohlenklau“ vor unnötiger Energieverschwendung gewarnt.

Am 2. Juni wurde im Reichsgebiet mit ersten Deportationen deutscher Juden in das sogenannte „Altersgetto“ Theresienstadt (Terezín) im Protektorat Böhmen und Mähren begonnen.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Auch der Juni brachte zahlreiche weitere Einschränkungen im alltäglichen Leben der jüdischen Bevölkerung. Es begann a, 6. Juni mit einem Erlass des Reichsverkehrsministers, der Jüdinnen und Juden die Benutzung von Warteräumen, Wirtschaften und sonstigen Einrichtungen der Verkehrsbetriebe untersagte. Drei Tage darauf folgte die Anordnung, dass die jüdische Bevölkerung sämtliche entbehrlichen Kleidungsstücke abzuliefern habe. Am 11. Juni wurde ihr mitgeteilt, dass sie künftig - mit Ausnahme für Kriegsbeschädigte und Angehörige privilegierter Mischehen - keine Raucherkarten mehr ausgehändigt würden. Wiederum nur einen Tag später wurde angeordnet, dass der „Judenstern“ nun auch auf der Arbeitskleidung befestigt werden müsse. Am gleichen 12. Juni wurden Jüdinnen und Juden - wiederum mit Ausnahme von Angehörigen privilegierter Mischehen - seitens des Reichssicherheitshauptamtes verpflichtet, umgehend sämtliche in ihrem Besitz befindlichen elektrischen Geräte, optische Geräte, Fahrräder, Fotoapparate, Ferngläser und mehr ohne jede Entschädigung abzuliefern. Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnung würden „mit schärfsten staatspolizeilichen Maßnahmen“ geahndet. Ab dem 22. Juni war die jüdische Bevölkerung vom Bezug von Eiern ausgeschlossen, ab dem 26. Juni durfte sie keine Fahrkartenautomaten mehr benutzen.

Bereits am 20. Juni war die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland per Erlass vom Reichskultusministerium angewiesen worden, mit Wirkung vom 30. Juni 1942 sämtliche jüdischen Schulen zu schließen und bekanntzugeben, dass damit ab dem 1. Juli jede Beschulung jüdischer Kinder durch besoldete oder unbesoldete Lehrkräfte untersagt sei. Begründet wurde die rigorose Maßnahme mit der in letzter Zeit erfolgten „Aussiedlung“ eines Teils der jüdischen Bevölkerung.

Am 2. Juni 1942 traf der erste Transport mit Juden aus dem Reichsgebiet in Theresienstadt ein. Aufgrund der dort vorherrschenden Enge und der katastrophalen hygienischen Bedingungen - es fehlte an sanitären Anlagen - breiteten sich im Getto rasch Läuse und ansteckende Krankheiten aus. Waren im Vormonat dort 155 Menschen gestorben, so lag die Zahl der Toten im August des Jahres bereits bei 2.327, im September dann bei 3.931.

In diesem Zusammenhang praktizierte das NS-Regime eine besonders zynische Form der wirtschaftlichen Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung. Seit dem 18. Juni wurden im Reichsgebiet nämlich sowohl mit jüdischen Bewohnern von Altersheimen als auch mit Besitzern von Privatwohnungen, die nach Theresienstadt abgeschoben werden sollten, „Heimeinkaufsverträge“ abgeschlossen. Durch solche „Verträge“ wurden die Betroffenen durch die Gestapo gezwungen, sich ihre Heimunterkunft, Verpflegung und ärztliche Betreuung in Theresienstadt gegen die Abtretung erheblicher Vermögenswerte „auf Lebenszeit“ zu sichern.

Aufgrund einer militärisch bedingten Verkehrssperre wurden Jüdinnen und Juden aus dem Reichsgebiet im Juni und Juli 1942 aus Berlin in der Regel in relativ kleinen Gruppen von 50 bis 100 Personen in gesonderten Wagen, aber mit fahrplanmäßigen Zügen in das angebliche Altersgetto in Theresienstadt deportiert. Zugleich fuhren aus Wien sowie vereinzelt auch aus Köln, Hamburg, Hannover, Aachen, Trier, Münster, Breslau und Königsberg in dieser Zeit bereits Großtransporte dorthin.

So wie Deportationen aus dem Reichsgebiet in Theresienstadt eintrafen, so verließen bis Mitte des Jahres 16 Transporte mit jeweils 1.000 Jüdinnen und Juden das Getto, die nach Riga und ins Warschauer Getto, überwiegend aber in den Distrikt Lublin fuhren. Fast alle von ihnen wurden nur wenig später in einem der deutschen Vernichtungslager im „Generalgouvernement“ ermordet.

Nachdem 27. Mai 1942 auf den stellvertretenden Reichsprotektor und SD-Chef Reinhard Heydrich, der auch für die Durchführung der „Endlösung“ verantwortlich zeichnete, von einer bewaffneten tschechischen Widerstandsgruppe ein Attentat begangen worden war, erlag er am 4. Juni an seinen Verletzungen. Als erste „Vergeltung“ hierfür wurde das tschechische Dorf Lidice am 10. Juni völlig zerstört, sämtliche 192 Männer und 71 Frauen des Dorfes ermordet und die übrigen ins KZ Ravensbrück deportiert. Gleichfalls als „Racheakt“ deklariert, wurden weitere 1.000 Jüdinnen und Juden aus Prag ins Vernichtungslager Majdanek transportiert. Zu „Ehren“ Heydrichs wurde zugleich der weitere Massenmord in den Vernichtungszentren Belzec, Sobibor und Treblinka nun als „Aktion Reinhardt“ bezeichnet.

Zuvor hatte Heydrich am 6. Mai in Paris noch die Deportation staatenloser Juden aus dem besetzten Westeuropa angekündigt. Daraufhin trafen sich am 11. Juni 1942 die Judenreferenten aus Paris, Brüssel und Den Haag im Reichssicherheitshauptamt, um die Transporte aus den drei Ländern zu planen. Demnach sollten aus den Niederlanden 15.000 Juden nach Auschwitz deportiert werden, aus Belgien zunächst 10.000 und aus Frankreich 100.000. Als sich herausstellte, dass die deutschen Besatzer der für Frankreich vorgesehenen Jüdinnen und Juden so schnell nicht habhaft werden konnten, wurde deren Zahl auf 40.000 gesenkt, während im gleichen Zug jene der aus den Niederlanden zu Deportierenden auf nun ebenfalls 40.000 angehoben wurde.

In der Zeit vom 5. Juni bis 17. Juli wurden die Transporte aus Frankreich nach Auschwitz fortgesetzt und nochmals etwa 4.700 Personen deportiert. Im Juni 1942 wurden zudem auch noch mindestens drei Deportationszüge mit Jüdinnen und Juden aus dem Reichsgebiet und dem „Protektorat“ direkt ins kurz zuvor fertiggestellte Vernichtungslager Sobibor geleitet und dort in Gaskammern ermordet.

2. Juni 1942: Aufforderung der Bezirksstelle Rheinland der Reichsvereinigung der Juden zur Deportation

2. Juni 1942: Versorgungsbezüge für „abgeschobene“ Juden

3. Juni 1942: Aufforderung zur Durchführung einer Deportation

3. Juni 1942: Bericht aus Erfurt

4. Juni 1941: Richtlinien zur Durchführung der Deportation von Juden

4. Juni 1942: Lagerung und Verwertung der Lifts

4. Juni 1942: Ankunft in Majdanek

9. Juni 1942: Umgang mit jüdischem Umzugsgut in Antwerpen

9. Juni 1942: Lagebericht der Gestapo Litzmannstadt

12. Juni 1942: Louis und Berta Mamlock aus Bonn an ihre Töchter

13. Juni 1942: Deportation nach Theresienstadt

15. Juni 1942: Bericht über Deportation nach Theresienstadt

15. Juni 1942: Generalkonsul von Weiss berichtet aus Köln

15. Juni 1942: Italienisches Außenministeriums an italienisches Innenministerium

15. Juni 1942: Deportation nach Theresienstadt

16. Juni 1942: Ablieferung von Spinnstoffvorräten

17. Juni 1942: Spinnstoffabgabe

18. Juni 1942: Ablieferung von Schreibmaschinen und Fahrrädern

20. Juni 1942: Abgabe von Spinnstoffen und elektrischen Geräten

22. Juni 1942: Ankündigung großer Deportationen

23. Juni 1942: SS-Oberführer Viktor Brack an Heinrich Himmler

24. Juni 1942: Generalkonsul von Weiss berichtet aus Köln

26. Juni 1942: Mitteilung der Synagogen-Gemeinde Köln über Ablieferung von Elektrogeräten

26. Juni 1942: Mitteilung der Synagogen-Gemeinde Köln über Ablieferung von Schreibmaschinen

29. Juni 1942: Besprechung über Lebensmittelversorgung der Juden

Juni 1942: Lagebericht der Gestapo-Litzmannstadt Juni 1942

30. Juni 1942: Reichsvereinigung der Juden an die Jüdischen Kulturvereinigungen

30. Juni 1942: Ablieferung von Schreibmaschinen, Fahrrädern etc.

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