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Chronik und Quellen
1942
Februar 1942

Februar 1942

Zum Monatsbeginn schien sich das deutsche Kriegsglück wieder zum Positiven zu wenden: Am 3. Februar führte eine Gegenoffensive an der Ostfront im Raum Wjasma zur Einschließung der sowjetischen 33. Armee. Allerdings kam ein weiterer Angriff, nämlich jener von Erwin Rommel in Nordafrika, am 7. des Monats vor der Stadt Tobruk zum Stillstand.

Eine wichtige Entscheidung fiel – für die deutsche Seite allerdings zunächst in ihrer Bedeutung nicht einzuschätzen - am 23. Februar, als Sir Arthur Harris zum Oberbefehlshaber des Bomberkommandos der Royal Air Force ernannt wurde. Was damals noch niemand ahnen konnte, sollte sich nur zu bald zeigen, denn diese Beförderung von „Bomber-Harris“ sollte zu einem Strategiewechsel im britischen Bombenkrieg hin zu Flächenbombardements auf zivile Ziele – sprich Städte – in Deutschland führen.

Dort plagte man sich zunächst aber mit weiteren schmerzlichen Einschnitten. Direkt zum Monatsbeginn wurde im Reichsgebiet eine „Kontrollkarte für den Einkauf von Tabakwaren“ eingeführt, die den Verbrauchern allerdings keine Tagesration garantierte, sondern durch „Tagesabschnitte“ lediglich die Häufigkeit der Einkäufe regeln sollte. So sollten lange Schlangen vor Tabakgeschäften verhindert werden, die im Tagesverlauf zudem dazu führten, dass Berufstätigen ihre Ration sozusagen „vor der Nase“ weggekauft wurde. Das war durchaus ein Politikum, denn aufgrund der hohen physischen und psychischen Anspannung war der Tabakkonsum seit 1939 bei gleichzeitig sinkender Zigarettenproduktion stark angestiegen, was zu deutlichem Mangel und daraus resultierender Unzufriedenheit führte. Auf heftige Kritik seitens der Frauen stieß die Tatsache, dass zugleich deren Mindestalter für den Bezug von Tabakwaren auf 25 Jahre hochgesetzt wurde, während Männer weiterhin mit 18 Jahren bezugsberechtigt waren.

Am 9. Februar wurde mit Wirkung vom 1. April des Jahres zur Einsparung von Treibstoff ein weitreichendes Verbot für Privatfahrten mit Personenkraftwagen verfügt. Zugelassen waren künftig nur noch Fahrten von kriegswichtiger Bedeutung. Die Anordnung stieß, wie zahlreiche Prozesse zeigen sollten – in der Bevölkerung auf wenig Verständnis und Gegenliebe. Propagandaminister Joseph Goebbels verfügte einen Tag später ein Verbot sämtlicher Messeveranstaltungen für 1942, um der deutschen Wirtschaft und dem Verkehrswesen so die Konzentration auf kriegswirtschaftliche Erfordernisse zu ermöglichen. Um die zu fördern, kamen immer mehr Zwangsarbeiter zum Einsatz. Am 6. Februar veröffentlichte die „Frankfurter Zeitung“ eine Statistik, nach der zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 2,1 Millionen ausländische Arbeitskräfte im Reichsgebiet eingesetzt wurden.

Die Gründungsfeier der NSDAP in München fand am 24. Februar erstmals in Abwesenheit von Adolf Hitler statt, der sich wegen der „Vorbereitungen zur endgültigen Auseinandersetzung“ mit der Sowjetunion als „unabkömmlich“ entschuldigen ließ. Das verfestigte einerseits das Bild des sich bei seinen Truppen aufhaltenden „Feldherrn“, dürfte aber auch als Hinweis darauf interpretiert worden sein, wie ernst die militärische Lage mittlerweile war. Mit Skepsis werden zumindest Teile der Bevölkerung auch die Meldung aufgenommen haben, dass der Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Fritz Todt, am 8. Februar bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sei. Bereits am nächsten Tag ernannte Hitler den Architekten Albert Speer zu dessen Nachfolger.

Solchen zunehmenden Belastungen versuchte Propagandaminister Goebbels mit seinen Mitteln entgegenzuwirken. Als er sich am 28. Februar vor Vertretern der deutschen Filmwirtschaft zu den „Entspannungsmöglichkeiten“ durch Film und Kino äußerte, betonte er, dass diese aus seiner Sicht unter den Bedingungen des Krieges gerade für den arbeitenden Teil der Bevölkerung nicht hoch genug eingeschätzt werden könnten. „Gute Laune“ wurde von Goebbels ausgesprochen als „kriegswichtig“ definiert.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Der Ring um die im Reichsgebiet verbliebene jüdische Bevölkerung zog sich im Verlauf des Monats immer enger und bedrohlicher zusammen. Seit dem 4. Februar wurde auf Anordnung des Deutschen Militärbefehlshabers in Frankreich eine Genehmigung zur Auswanderung aus Deutschland nur in wenigen „besonderen Fällen“ erteilt, womit die letzte Möglichkeit einer illegalen Auswanderung über die französische Grenze endgültig entfiel. Eine psychologisch weitaus gravierende Wirkung auf die Betroffenen dürfte die am 14. Februar verkündete Anordnung gehabt haben, dass die Auswandererberatungsstellen des „Hilfsvereins der Juden in Deutschland“ aus der Liste der zugelassenen Auswandererberatungsstellen zu streichen sei. Gleichzeitig wurden die Auswanderungs-Ämter der Reichsvereinigung in Essen, Frankfurt a.M., Karlsruhe, Köln und Mannheim geschlossen und damit das Signal gesendet, dass nunmehr jede noch so vage Hoffnung auf eine Emigration erloschen war.

Als ob solche Anordnungen und Entwicklungen noch nicht niederschmetternd genug gewesen seien, konnten es die NS-Verantwortlichen und ihre Handlanger auch jetzt noch nicht unterlassen, die Lebensbedingungen der ohnehin tief verzweifelten Angehörigen der zusammenschmelzenden jüdischen Gemeinde im Reichsgebiet mit offenbar geradezu sadistischer Lust weiter einzuschränken und sie noch stärker zu demütigen. Ebenfalls seit dem 14. Februar mussten an Bäckereien und Konditoreien Schilder mit dem Hinweis angebracht werden, dass an Juden und Polen kein Kuchen mehr abgegeben würde; einen Tag später wurde der jüdischen Bevölkerung das Halten von Haustieren verboten. Am 16. Februar wurden Ausnahmen von der Pflicht zum Tragen des „Judensterns“ zurückgenommen. Am gleichen Tag wurde zudem die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln nochmals und nun „aufs äußerste“ beschränkt, was nun selbst für dienstliche Reisen der Mitglieder der Reichsvereinigung galt. Und wiederum nur einen Tag darauf wurden am 17. Februar auf Anordnung des Reichssicherheitshauptamts Jüdinnen und Juden vom Bezug von Zeitungen, Zeitschriften, Gesetz- und Verordnungsblättern durch die Post, durch Verlage oder Straßenhändler ausgeschlossen.

Dass in der „Judenpolitik“ des NS-Regimes seit der Jahreswende 1941/42 eine entscheidende Wende eingetreten war, wurde auch für die jüdische Bevölkerung im östlichen Warthegau zur furchtbaren Gewissheit, als ab Februar 1942 in etlichen Städten in der Umgebung von Litzmannstadt zahlreiche Jüdinnen und Juden wahllos aus den Gettos heraus verhaftet und an Ort und Stelle unter erzwungener Teilnahme der Ortsbevölkerung einschließlich der Schulkinder, öffentlich ermordet wurden.

Am 15. Februar 1942 traf auch der erste Zug mit Jüdinnen und Juden aus Beuthen in Auschwitz ein, wo sie sofort in der Gaskammer getötet wurden.

Im Auswärtigen Amt reagierte man auf die nun einsetzenden Massenmorde im Rahmen der „Endlösung“ mit erschreckender Sachlichkeit und offenbar ohne jede Emotionen. Am 10. Februar 1942 teilte Franz Rademacher als Leiter des dort angesiedelten „Judenreferats“ der „Abteilung Politik“ mit, dass der im August 1940 von seinem Referat entworfene Plan zur „Endlösung der Judenfrage“, in dem die Insel Madagaskar eine zentrale Rolle gespielt hatte, nunmehr hinfällig geworden sei. Weil sich durch den Krieg gegen die Sowjetunion inzwischen die Möglichkeit ergeben habe, „andere Territorien für die Endlösung zur Verfügung zu stellen“, habe Hitler nun entschieden, dass die jüdische Bevölkerung nunmehr „nach dem Osten abgeschoben werden“ solle. „Madagaskar braucht mithin nicht mehr für die Endlösung vorgesehen zu werden.“

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