Juli 1937
Die Auseinandersetzungen zwischen den Kirchen und dem NS-Regime halten auch im Juli unvermindert an. So wird direkt am 1. des Monats mit Pastor Martin Niemöller einer der führenden Männer der Bekennenden Kirche verhaftet und im Gefängnis Berlin-Moabit inhaftiert, nachdem er am 27. Juni in einer offenen Predigt gegen die Verhaftungen von Gleichgesinnten protestiert hatte. Nach vierwöchiger Haft erhob die Staatsanwaltschaft Berlin dann am 28. Juli beim Sondergericht gegen ihn Anklage wegen Vergehens gegen das „Heimtückegesetz“, Kanzelmissbrauchs und der Aufforderung zum Ungehorsam gegen staatliche Verordnungen. Das alles hielt den Erzbischof von München, Kardinal Michael von Faulhaber, jedoch nicht davon ab, auch seinerseits am 4. Juli in München eine Predigt gegen die Verfolgung von Geistlichen im Dritten Reich zu halten.
Der Konflikt hatte eine Dimension angenommen, die die am 23. Juli in Oxford tagende Weltkirchenkonferenz zu einer Resolution veranlasste, in der sie ihr Bedauern über die Behinderung der evangelischen und katholischen Kirche im Deutschen Reich zum Ausdruck brachte. Allerdings fiel dieses Votum nicht einstimmig aus, denn die Vertreter der Freikirchen der Altkatholiken und der Russisch-Orthodoxen protestierten ausdrücklich gegen diese „Einmischung in deutsche Angelegenheiten“.
Zugleich rüstete sich das NS-Regime gegen weitere Opposition im Reichsgebiet. So wurde am 19. Juli in der Nähe von Weimar als drittes Großlager dieser Art das KZ Buchenwald errichtet.
Auch sonst zog man die Zügel straffer an und weitete Überwachung und Verbote immer weiter aus. So ordnete Reichsjugendführer Baldur von Schirach etwa am 7. Juli an, dass Auslandsreisen von Angehörigen der Hitlerjugend künftig genehmigungspflichtig seien, was eine starke Einschränkung der Reisefreiheit bedeutete. Während man so die eigene Klientel so zu kontrollieren versuchte, wurden weitere kirchliche Jugendverbände gleich völlig verboten. So wurde beispielsweise der Paderborner Diözesanverband der katholischen Jungmänner am 27. Juli von der Gestapo aufgelöst.
Bereits Anfang des Monats wird die am 30. Juni durch das Reichspropagandaministerium verfügte „Aussonderung deutscher Verfallskunst zum Zwecke einer Ausstellung” in die Tat umgesetzt. So wurden am 6. Juli zahlreiche Exponate der „Modernen Galerie“ im Kölner Wallraf-Richartz-Museum von der Gestapo kurzerhand beschlagnahmt - darunter Arbeiten von Pablo Picasso, Paul Gauguin und Vincent van Gogh. Bereits zwei Wochen später eröffnete der Präsident der „Reichskammer der bildenden Künste“, Adolf Ziegler, am 19. Juli in München dann die Ausstellung „Entartete Kunst“, die allein in dem kurzen Zeitraum bis zum 5. August des Jahres bereits mehr als 396.000 Besucher gezählt haben soll. Tags zuvor hatte Adolf Hitler selbst das Gegenprogramm der Nationalsozialisten der Öffentlichkeit vorgestellt, als er am 18. Juli im Rahmen des „Tages der deutschen Kunst“ ebenfalls in München, der „Hauptstadt der Bewegung“, das „Haus der Deutschen Kunst“ und mit ihm zugleich die erste große deutsche Kunstausstellung mit Werken NS-konformer Künstler eröffnet hatte. Damit war die für die nächsten acht Jahre wichtigste Bühne der staatlich gelenkten, offiziellen Kunst der NS-Diktatur der Öffentlichkeit übergeben worden. Kurz zuvor hatte der preußische Ministerpräsident Hermann Göring am 15. Juli bereits mit sofortiger Wirkung die Satzung der „Akademie der Künste“ aufgehoben und Reichserziehungsminister Bernhard Rust mit der Erarbeitung einer neuen, „nationalsozialistischen Grundsätzen entsprechenden“ Satzung beauftragt.
Am 30. Juli eröffnete Propagandaminister Joseph Goebbels die die bis zum 8. August dauernde 14. Große Rundfunkausstellung in Berlin, in deren Rahmen unter anderem die weltweit erste fahrbare Fernsehkamera der Firma „Telefunken“ vorgestellt wurde.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Mit dem sogenannten „Funktionstrennungs-Erlass“ vom 1. Juli beabsichtigte Reinhard Heydrich die Zusammenarbeit von SD und Gestapo besser zu koordinieren, um dadurch auch Kompetenzstreitigkeiten zwischen den beiden „Judenreferaten“ II 112 des SD und II B4 der Gestapo zu vermeiden. Schwerpunktmäßig sollte die Überwachungstätigkeit nunmehr beim SD, die exekutive Gewalt (Verhaftungen etc.) bei der Gestapo liegen.
Ab dem 2. Juli legten Richtlinien des Reichsministers für Erziehung und Unterricht fest, in welchem Umfang jüdische Schülerinnen und Schüler noch in allgemeine Schulen aufgenommen werden durften. Als Grundlage dienten hierbei die „Beschränkungen gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen“ vom 25. April 1933. Entsprechend der „Nürnberger Gesetze“ galten diese Verordnungen auch für jüdische „Mischlinge“. Durch die so angeregte Einrichtung von gesonderten Schulen oder Klassen wurde die gesellschaftliche Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung weiter vorangetrieben. Der endgültige Ausschluss jüdischer Kinder aus deutschen Schulen erfolgte schließlich unmittelbar nach dem Pogrom am 15. November 1938.
Wenn keine jüdischen Privatschulen vorhanden waren, mussten schulpflichtige jüdische Kinder und „Mischlinge“ am Pflichtunterricht der allgemeinen öffentlichen Schulen teilnehmen, denen empfohlen wurde, hierfür besondere Sammelklassen für jüdische Schülerinnen und Schüler einzurichten. Der Besuch von weiterführenden mittleren, höheren und Fachschulen blieb für jüdische Heranwachsende auf 1,5 Prozent der gesamten Neuaufnahmen beschränkt. An den Schulveranstaltungen außerhalb des planmäßigen Unterrichts - etwa Ausflüge, Klassenreisen oder Sportfeste - durften jüdische Schülerinnen und Schüler (im Gegensatz zu „Mischlingen“) künftig nicht mehr teilnehmen.
Am 15. Juli ordnete Joseph Goebbels als Reichsminister für Propaganda eine Verschärfung der Überwachung von allen Personen und Unternehmen des jüdischen Pressewesens an. Ab 1. Oktober 1937 durften demnach keine Personen mehr im jüdischen Pressewesen tätig sein, die keine Bescheinigung von „Reichskulturverwalter“ Hinkel als Sonderbeauftragten des Reichsministers besaßen.
Am 20. Juli wurde per Gesetz Steuern von Personen erhoben, die nicht zur Erfüllung der zweijährigen aktiven militärischen Dienstpflicht einberufen wurden und daherals „wehrsteuerpflichtig“ galten. Das betraf insbesondere und generell die von der Wehrpflicht ausgeschlossenen Wehrpflichtigen „jüdischer Abstammung“.
Mit einem Runderlass des Reichsministers des Innern an die Landesregierungen vom 24. Juli wurde eine Unterbringung jüdischer Gäste nur noch in solchen Kurorten und Heilbädern gestattet, in denen die Möglichkeit bestand, jüdische Kurgäste getrennt von den übrigen in eigenen jüdischen Kuranstalten, Pensionen und Fremdenheimen unterzubringen. In diesen Betrieben durfte allerdings kein „deutschblütiges weibliches Personal unter 45 Jahren“ mehr beschäftigt werden. Es wurden zudem weitere Beschränkungen festgelegt, z.B. getrennte Benutzung von Gemeinschaftseinrichtungen durch jüdische Kurgäste. In den übrigen Bädern und Kurorten wurden Jüdinnen und Juden nunmehr allgemein oder teilweise von den Kureinrichtungen ausgeschlossen.