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Chronik und Quellen
1939
September 1939

September 1939

Der September stand völlig im Zeichen des von deutscher Seite begonnenen Krieges: Um 4.45 Uhr eröffnete das deutsche Kriegsschiff „Schleswig-Holstein“ am 1. September das Feuer auf die Danziger Westernplatte, um 5.45 Uhr wurde dann nach einem von deutscher Seite vorgetäuschten „Angriff“ auf den Sender Gleiwitz „zurückgeschossen“ – der von Vielen be- und gefürchtete Krieg hatte begonnen. Um 10 Uhr begründete Adolf Hitler in einer reichsweit übertragenen Rede vor dem Reichstag den ohne Kriegserklärung erfolgten Angriff auf Polen. Dabei vermied er das Wort „Krieg“, eine Vorgabe, die auch an die deutsche Presse weitergegeben wurde.

Am Morgen des 3. September erklärten nach zweitägigem Zögern zunächst Großbritannien, kurz darauf Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg, woraufhin von deutscher Seite der Seekrieg gegen das britische Empire eröffnet wurde.

Nachdem am 17. September – wie im Zusatzabkommen zum Nichtangriffspakt im August vereinbart - sowjetische Truppen in Ostpolen eingedrungen waren, trafen am folgenden Tag bei Brest erstmals deutsche und sowjetische Truppen aufeinander. Bei dieser Gelegenheit erklärten beide Seiten in einer gemeinsamen Stellungnahme, sie würden in Polen keine gegensätzlichen Interessen verfolgen. Am 22. September zogen sich die deutschen Truppen dann auf die vereinbarte Linie zurück.

Tags zuvor hatte Reinhard Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS die von den deutschen Besatzern in Polen zu verfolgende Politik festgelegt: Liquidierung der Intelligenz, Gettoisierung der Juden sowie die Umsiedlung der polnischen Bevölkerung in ein als „Generalgouvernement“ bezeichnetes Restpolen mit der Hauptstadt Krakau.

Nach Einschätzung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 23. September war der Feldzug in Polen damit beendet. Das hinderte die deutsche Luftwaffe jedoch nicht daran, zwei Tage später Warschau massiv zu bombardieren – ein militärisch unnötiger Angriff, der mehr als 10.000 Todesopfer forderte. Am 27. September kapitulierte die Stadt, und weitere 140.000 polnische Soldaten gerieten in deutsche Gefangenschaft.

Der Kriegsbeginn brachte natürlich auch für das tägliche Leben im nunmehr als „Heimatfront“ geltenden Reichsgebiet gravierende Änderungen mit sich. Bereits am 1. September wurde die vollständige Verdunklung angeordnet und das Abhören von „Feindsendern“ und die Verbreitung dort gehörter Nachrichten unter hohe Strafe gestellt. Arbeitsplatzwechsel waren ohne behördliche Genehmigung nun völlig ausgeschlossen. Am 3. September wurde der Erlass über „Grundsätze der inneren Staatssicherung während des Krieges“ veröffentlicht, in dem Reinhard Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS direkt androhte, gegen jeden rücksichtslos einzuschreiten, der öffentlich am deutschen Sieg zweifeln würde.

Weitere, zum Teil tiefgreifende Maßnahmen folgten: Durch Verordnung des Ministerrats für die Reichsverteidigung wurde am 4. September die Stärke des Reichsarbeitsdienstes für die weibliche Jugend zwischen 17 und 25 Jahren auf 100.000 erhöht. Am gleichen Tag erließ das gleiche Gremium eine „Kriegswirtschaftsverordnung“, die unter anderem Zuschläge auf die Einkommensteuer sowie auf Tabak, Bier und weitere Alkoholika mit sich brachte. Zugleich wurden „Kriegslöhne“ eingeführt, was auch bedeutete, dass Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfallen sollten. Eine gegen „Volksschädlinge“ gerichtete Verordnung des Ministerrats bedrohte ab dem 5. September Plünderungen in geräumten Gebieten und während eines Fliegeralarms ausgeübte Verbrechen mit dem Tode.

Mit einer Verordnung vom 6. September verbot Reichsverkehrsminister Dorpmöller ab dem 20. September die Benutzung privater Kraftfahrzeuge. Nur wenn deren Nutzung im öffentlichen Interesse lag, waren Ausnahmegenehmigungen möglich. Am 25. September traten im Reichsgebiet dann die Verordnungen über die öffentliche Bewirtschaftung von Nahrungs- und Genussmitteln vom 7. des Monats in Kraft. Danach wurden Brot, Milch, Fleisch, Fett, Marmelade und Zucker – bis dahin zum Teil noch frei verkäuflich – nur noch gegen Marken abgegeben. Gleiches galt für Seife und Waschmittel. Vollmilch gab es ohnehin nur noch für Kinder, Schwangere sowie Schwer- und Schwerstarbeiter, an die besondere Karten ausgegeben wurden.

Immerhin gab es auch kleine Erleichterungen. So wurde das am 4. September verfügte Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen zum Monatsende wieder aufgehoben. Und schon am 9. September hatte Hermann Göring versucht, Optimismus zu verbreiten, als er in einer von allen deutschen Sendern übertragenen Rede vor Arbeitern der Rheinmetall-Borsig-Werke in Berlin-Tegel vollmundig erklärte, das Deutsche Reich sei der am besten gerüstete Staat der Erde.

Für eine Bevölkerungsgruppe stellte der Kriegsbeginn ein überaus bedrohliches und weitgehend auswegloses Szenario dar: Durch eine Polizeiverordnung wurde für Juden im Deutschen Reich direkt mit Kriegsbeginn eine Ausgangssperre angeordnet, am 20. September wurde ihnen der Besitz von Rundfunkempfängern verboten. Vor allem aber verschlossen sich kriegsbedingt die letzten Möglichkeiten zur Emigration.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 1. September werden sich viele Jüdinnen und Juden an die Rede erinnert haben, die Adolf Hitler am 30. Januar 1939 gehalten und in der er dem europäischen Judentum im Kriegsfall dessen Auslöschung angedroht hatte. Nun war der befürchtete Kriegszustand also eingetreten, dem noch am gleichen Tag die zeitweise Verbannung der jüdischen Bevölkerung aus der deutschen Öffentlichkeit nach sich zog, indem die lokalen Polizeistellen eine Ausgangssperre verhängten. Juden durften sich ab sofort in den Wintermonaten nicht mehr nach 20.00 Uhr und im Sommer nicht nach 21.00 Uhr auf der Straße aufhalten. Diese Anordnung wurde von Reinhard Heydrich dann am 9. September reichsweit per Erlass geregelt.

Kurz zuvor hatte Heydrich am 7. September bereits die Behandlung der noch in Deutschland verbliebenen Juden polnischer Staatsangehörigkeit per Erlass geregelt. Demnach sollten alle Männer als „feindliche Ausländer“ festgenommen werden, während die übrigen Familienmitglieder ihren Wohnort ohne Zustimmung der Gestapo nicht mehr verlassen durften. Die Zahl der Verhafteten belief sich auf 2.000 bis 3.000. Ihr gesamtes Vermögen wurde „sichergestellt“ und die meisten der Männer in Konzentrationslagern interniert. Die Reichsvereinigung führte wegen deren Freilassung in den folgenden Monaten lange Verhandlungen mit dem Reichssicherheitshauptamt.

Die Einschränkungen für die jüdische Bevölkerung nahmen unter den Bedingungen des Krieges schnell zu. Am 12. September wurden ihr für den Lebensmitteleinkauf besondere Läden zugewiesen, die in „arischem“ Besitz sein mussten. Zugleich wurden bei Juden Durchsuchungen nach „Hamsterwaren“ erlaubt, die nach Gutdünken der Behörden beschlagnahmt und die der „Hamsterei“ Verdächtigen kurzerhand in Schutzhaft genommen werden konnten.

Am 20. September ordnete Heydrich per Runderlass an, dass Juden und „Mischlingen“ künftig der Besitz von Rundfunkgeräten untersagt sei, womit ihnen eine zentrale Informationsquelle und das wichtigste Unterhaltungsmedium entzogen wurde; lediglich für privilegierte Mischehen galten Ausnahmebestimmungen. Drei Tage später mussten die vom Erlass Betroffenen ihre Rundfunkgeräte - an ihrem höchsten Feiertag Jom Kippur - persönlich und ohne jede Entschädigung auf den örtlichen Polizeirevieren abliefern. Selbst bei solch ohnehin schon verletzenden Anordnungen verzichtete das NS-Regime nicht auf spezielle Erniedrigungen, denn die Anweisung bedeutete, dass die Juden den für Jom Kippur vorgeschriebenen ganztätigen Gebetsdienst nicht einhalten konnten, ohne sich strafbar zu machen.

Trotz aller diskriminierenden und sie aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließenden Maßnahmen blieben die jüdischen Institutionen bestrebt, auch unter den Kriegsbedingungen ihre Bildungs- und Kultureinrichtungen aufrechtzuerhalten. Nachdem mit Kriegsbeginn zunächst sämtliche Veranstaltungen des Jüdischen Kulturbunds verboten worden waren, gelang es, diese - wenn auch in eingeschränktem Umfang - noch im September 1939 wieder aufzunehmen. Allerdings fanden außerhalb Berlins meist nur noch kleinere Veranstaltungen und Filmvorführungen statt, bis die Gestapo die jüdische Kulturorganisation am 11. September 1941 endgültig auflösen sollte.

Noch im ersten Monat des Krieges unternahm das NS-Regime erste Schritte, um die Ankündigung Hitlers vom 30. Januar des Jahres in die Tat umzusetzen, und beschloss, dass große Teile der jüdischen Bevölkerung aus dem Reichsgebiet abgeschoben werden sollten. So verkündete Reinhard Heydrich am 21. September 1939 in einer Besprechung von Amts- und Einsatzgruppenleitern die grundsätzliche Zustimmung Hitlers zur Abschiebung der gesamten jüdischen Bevölkerung. Nicht zuletzt zu diesem Zweck wurden kurz darauf, am 27. September, die zentralen Ämter der Sicherheitspolizei (Gestapo und Reichskriminalpolizeiamt) mit dem Sicherheitshauptamt des Reichsführers SS (SD) zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unter Leitung von Heinrich Müller vereinigt. Damit hatten Himmler und Heydrich jene Behörde geschaffen, die künftig das deutsche Vorgehen gegen die Juden im Reich und in Europa lenkte und zur zentralen Organisation zur Durchführung der „Endlösung“ wurde.

Die vom RSHA eingesetzten und gelenkten Einsatzgruppen fanden ihr Haupttätigkeitsfeld zunächst jedoch in Polen, wo sie im Gefolge der Wehrmacht vorrückten, um gegen die politischen und gesellschaftlichen Eliten des Landes vorzugehen und die Bevölkerung zu terrorisieren. Dabei wurden die polnischen Juden in besonderem Maße zur Zielscheibe der deutschen Propaganda. Sie wurden als Inbegriff des Ostjudentums stilisiert, dem gegenüber ein hartes Vorgehen notwendig sei. Schon am 21. September erließ Heydrich daher Richtlinien zur Konzentrierung der jüdischen Bevölkerung im besetzten Polen und skizzierte den Plan zur Schaffung eines „Judenreservats“ östlich von Krakau, womit der Prozess der Gettoisierung der jüdischen Bevölkerung in Polen seinen Anfang nahm. Hierhin sollten künftig auch, wie Heydrich am 22. September dem Oberbefehlshaber des Heeres mitteilte, „alle Zigeuner und sonstige Unliebsame“ abgeschoben werden.

Am 29. September erläuterte Hitler im engsten Kreis seine künftigen Pläne für Polen. Demnach sollte das deutsch besetzte Gebiet „in drei Streifen“ geteilt werden. „Zwischen Weichsel und Bug“ sollte „das gesamte Judentum (auch aus dem Reich) sowie alle irgendwie unzuverlässigen Elemente“ konzentriert werden. An der Weichsel sollte ein „unbezwingbarer Ostwall“ entstehen, während jenseits der bisherigen Grenze „ein breiter Gürtel der Germanisierung und Kolonisierung“ vorgesehen, wobei dieser „Siedlungsgürtels“ schon sehr bald sehr viel weiter nach Osten verlegt werden sollte.

September 1939: Mitteilung der Synagogen-Gemeinde Köln über Ausgangssperre und Luftschutzräume

1. September 1939: Kriegsbeginn in Breslau

1. September 1939: Kriegsbeginn in Frankfurt

1. September 1939: Berichte aus Kitzingen

September 1939: Lebensmittelversorgung von Juden

2. September 1939: Prognose zum Kriegsbeginn

6. September 1939: Maßnahmen gegen Juden

7. September 1939: Verhaftungen angeordnet

8. September 1939: Internierung der polnischen Juden im Reichsgebiet

8. September 1939: Einmarsch der Wehrmacht in Lodz

8. September 1939: Einmarsch der Wehrmacht in Tranów

8. September 1939: Erweiterung des Vorstands

9. September 1939: Juwelen und Edelmetallwaren aus Judenbesitz

10. September 1939: Anordnung der Reichsvereinigung der Juden

10. September 1939: Tabebucheintrag Willy Cohn

11. September 1939: Stimmungsbericht aus Kitzingen

14. September 1939: Bericht aus Worms

15. September 1939: Krieg und Zukunft des Judentums

16. September 1939: Besprechung über Auswanderung

19. September 1939: Antisemitisches Diktat

20. September 1939: Mustersatzung für jüdische Kultusvereinigungen

22. September 1939: Wieder Kino für jüdische Bevölkerung

25. September 1939: Bericht aus Leipzig

28. September 1939: Umzug in ein „Judenhaus“

29. September 1939: Fragebogen zur wirtschaftlichen Lage

29. September 1939: Die Gestapo Köln berichtet

30. September 1939: Abgabe von Radio-Geräten

30. September 1939: Bericht aus Regensburg

30. September 1939: Bericht aus Ansbach

30. September 1939: Bericht aus Speyer

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