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KLV-Tagebuch Petronella Meyer („Haus Fichteneck“ in Ebensee – 1943)

Dieses „Tagebuch meiner Lagerzeit“ stammt aus der Feder der am 1. August 1930 geborenen Petronella Meyer. Sie war mit Mitschülerinnen der Kölner Realschule Niedrichstraße von März bis Oktober 1943 im KLV-Lager „Haus Fichteneck“ in Ebensee untergebracht. Nach ihren rückblickenden Angaben erfolgte die Teilnahme an der KLV freiwillig, endete dann aber damit, dass Petronella von ihrer Mutter vorzeitig aus Ebensee abgeholt wurde. Die Post nach Hause, so erinnert sie sich, sei im „Haus Fichteneck“ zensiert worden.

Das Tagebuch wurde dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln von Petronella Müller im Rahmen eines 1999/2000 durchgeführten Projekts zur Verfügung gestellt. Leider war es damals nur möglich, herkömmliche Kopien anzufertigen, die hier nun neben der Transkription präsentiert werden. Die Kopien und weitere von Frau Müller zur Verfügung gestellte Materialien werden im NSDOK im Bestand „KLV“ aufbewahrt.

Tagebuch
aus meiner
Lagerzeit 1943.

Dir vertraue ich Freud und Leid an.

Jetzt lebe ich schon 10 Tage im Lager. Wir haben ein kleines Schloß. Es ist mit einem Park umgeben. Aus meinem Zimmer aus kann ich die Berge und den Traunsee sehen. Ich schlafe mit ..... Kameradinnen auf einem schönen, geräumigen Zimmer. Es ist mit einer bunten Tapete beklebt. An der Wand sind zwei Becken mit fließendem heißen und kalten Wasser angebracht. Auch steht hier ein großer, weißer Schrank. In der Mitte sind acht Schubladen. Jeder besitzt zwei. An den Seiten der Schubladen hängen die Kleider und liegen von vier Kindern noch die Unterwäsche. Um alle vier Schlafräume geht ein Balkon. Je zwei Betten stehen übereinander. Ich muß zwei Treppen hinunter, um in den Eßraum zu gelangen. Ich esse in einer Glasveranda. Wir bekommen gutes Essen. Aber nicht genug. Meistens

 

 

hungere ich.

Am Sonntag, den 4.4.43, hatten alle vier Lager eine Feierstunde im Park. Die Hauptlagermädelführerin Erna hatte uns vom Führer vorgelesen. Dann marschierten die anderen 3 Lager fort und wir bekamen unser zweites Frühstück. Nun spielten wir im Park. Um halb eins bekamen wir Mittagessen. Es schmeckte mir vortrefflich. Nach dem Essen zogen wir uns die Schuhe an, marschierten zum Theater und sahen Hänsel und Gretel. Für uns dreizehnjährige Mädel war es langweilig, aber für die Kleineren nicht. Dann marschierten wir nach Hause und tranken Kaffee. Dazu gab es zwei Teilchen. Wir hatten bis zum Abendessen Freizeit, und dabei tollten wir uns gründlich aus. Abends gab es 6 Stückchen Wurst, ein Stückchen Sülze und ein Stückchen Käse und zwei große Stückchen Butter. Dazu gab es drei Schnitten Brot. Wir mußten

die Butter einen Finger dick schmieren. Die übriggelassene Wurst wurde unter die anderen verteilt. Um 8 Uhr war Bettruhe.

Am Montag, den 5.4.43, hatten wir im Lager zum ersten Mal Schule. Wir brauchten eine viertel Stunde. Dort war es sehr kalt im Tagesraum und auch sehr dunkel. Das Hotel am See liegt auch sofort am Traunsee. Es hat auch einen Park. Aber er ist lange nicht so schön wie unserer. Nachmittags hatten wir noch 1 Stunde Aufgaben, und dann gingen Lieselotte Kübeler, Betty Heidkamp, Gisela Bohmeier und ich auf die Post und holten drei Pakete.

Am Dienstag, den 6.4.43, hatten wir vormittags vier Stunden Schule. In der Mittagspause lagen wir nur eine halbe Stunde im Bett; denn die Hauptlagermädelführerin (HLMF) wartete schon auf uns. Sie lehrte uns zwei Lie-

 

 

der: "Wenn alle untreu werden" und "Grüßet die Fahnen", die wir am Sonntag singen müssen zur Aufnahme für die Vierzehnjährigen ins B.-D.-M. Dann bekamen wir Kaffee und dann sprach ein Ortskundiger über die Entstehung Ebensees. Abends um halb elf war eine Kontrolle in unserem Schlößchen.

Am Mittwoch, den 7.4.43, wurden wir gewogen. Manche Kinder haben zu- und manche haben abgenommen. Ich wurde nicht gewogen, weil ich Magenkrämpfe hatte.

Am Donnerstag, den 8.4.43, bekamen wir abends unsere erste gewaschene Wäsche zurück. Davor sangen wir noch die drei Lieder: „Wenn alle untreu werden", „Grüßet die Fahnen" vierstimmig und „Vorwärts, vorwärts".

Am Freitag, den 9.4.43, hatten wir Generalprobe im Hotel am See. Alle vier Lager waren dort versammelt.

Samstag, den 10.4.43

Samstag, den 10.4.43. Am Samstag sahen wir den Fliegerfilm Ikarus. Es war ein stummer und nicht schöner Film.

Sonntag, d. 11.4.43

Sonntag, den 11.4.43. Am Sonntag war die Aufnahme ins B.D.M.

Am Freitag, den 24.4., schliefen wir zum ersten Male in der Mittagspause im Park auf der Wiese. Wir lagen in der heißen Mittagssonne. Nachher waren fast alle rot. Ich war braun.

Am Samstag, den 25.4., mußten wir Blumen pflücken für Ostern. Abends saßen wir am

 

 

offenen Kaminfeuer. Frl. Brock erzählte uns zwei Märchen: vom Schwefelholz u. wie der Sonnenstrahl sich eine Frau suchte. Wir sangen dann lustige Lieder u. Abendlieder.

Am Sonntag, den 26.4., war Ostern. Morgens zum Kaffee hatten wir 1 Brötchen u. 2 Schnitten Brot. Dazu gab es Kakao. In der Mitte des Tisches standen 2 Osterhäschen aus Kartoffeln u. Blumen. Dann kam eine Reihe Apfelsinen u. dann eine Reihe von Tannengrün. Vor den Tassen stand eine Tüte mit Plätzchen u. Bonbons gefüllt. Dann hatten wir eine Morgenfeier. Gisela Figge, Helga Funkenberg u. Erika Stark sah ich auch. Mittags bekamen wir Kartoffelpüree mit 1 Wiener Schnitzel. Zum Kaffee waren alle umgekleidet. Wir waren sehr schön anzusehen. Ostermontag lebten wir genauso gut.

Am Samstag, den 1. Mai, machten wir eine Wanderung auf den Berg. Wir kletterten auf allen vieren. In der Nacht zum 1. Mai passierte uns etwas Schreckliches. Wir unterhielten uns leise bis gegen 11 Uhr. Auf einmal wurde es hell und dann wieder dunkel im

Zimmer. Dann gab es einen Knall. Wir krochen unter die Decke vor lauter Angst. Als wir dann morgens erwachten, sahen wir am Fahnenmast einen Maienkranz. Die Jungen von Rindbach hatten ihn aufgehangen.

Donnerstag, den 6.5.43, hatte Frl. Brock Geburtstag. Sie hatte viel Blumen. Nachmittags spielten wir ein Lied, die Gänsehirtin am Brunnen, das doofe Minchen, die Scharade "Herzlichen Glückwunsch". Nach dem Abendessen bekam jeder eine Apfelsine. Es war sehr schön.

Freitag, den 7.5.43, waren wir im Film "Hände hoch". Es war ein sehr schöner K.L.V.-Lager-Film. Dann wurden wir gewogen. Ich habe 5 Pfd. zugenommen. Ich wiege 51 kg. Dann geschah etwas. Ein Kind ging auf die Toilette. Sie hatte kein Papier, dafür riß sie ein Stück von der Gardine ab. Wir bekommen solange keine Post, bis derjenige sich meldet, und wir müssen solange schweigen.

 

 

Samstag, d. 8.5.43, machten wir einen Ausflug. Vorher machten wir einen Dauerlauf vom K.L.V.-Lager Fichteneck bis zum K.L.V.-Lager Hotel am See. Dann tranken wir Kaffee. Dann wurden die ersten Schuhe zum Schuhmacher gebracht.

Sonntag, den 9.5.43, mußten wir schon um 1/4 nach 6 Uhr aufstehen. Um 10 vor 7 Uhr mußten wir fertig sein und dann tranken wir den Morgenkaffee. Wir hatten Uniform an. Wir marschierten sofort ab bis zum Bahnwärterhäuschen. Dort holten wir die Ebenseer Jungen u. Mädel ab. Dann marschierten wir zum K.L.V.-Lager Fichteneck. Dort hatten wir eine kleine Morgenfeier. Dann begann das Wettrennen. Wir stellten uns nach dem Jahrgang auf. Ich war bei der 4. Abteilung. Hildegard Miebach und ich mußten am Schluß laufen; denn wir konnten am Besten laufen. Dann marschierten wir wieder nach Fichteneck. Hier

zogen wir uns die Uniform wieder an. Dann gingen wir zum Hotel am See. Hier wurde bekanntgegeben, wer den 1., 2., 3., 4. u. 5. Rang bekam. Von allen 4 Lagern hatte Fichteneck , unser Schlößchen, den 1. Rang bekommen. K.L.V.-Lager Schubert bekam den 2., Bäckerwirt den 3. und Hotel am See den 4. Rang. Nachmittags wollten wir einen Ausmarsch machen, aber es fing an zu regnen. Darum spielten wir lustig Spiele und sangen lustige Lieder. Nachher tanzten Sissi und Lore. Nach dem Abendessen bekamen wir eine Apfelsine. Ich hatte 3 Schnitten Brot, 4 Stücke Wurst, 2 Stücke Butter und 1 Stück Käse. Dazu bekam jeder ein kleines Tellerchen mit Kartoffelsalat.

Montag, den 10.5.43, regnete es. Bis heute hat sich noch immer keiner gemeldet. Ich glaube, es ist Sophie Oster. Heute abend haben wir gut gelebt. Ich habe 4 Teller Erbsensuppe und 6 Schnitten Brot, 2 mit Wurst und 4 mit Velveta-Käse gegessen.

 

 

Dienstag, den 11.5.43, machten wir einen Wettlauf. Aber wir übten nur. Ich mußte so nötig, wie die vier Sieger zum letzten Mal laufen, darum gewann ich nicht. Karin Franz gewann. Es ist eine von den Kleinsten. Aber abends bekamen wir nicht genug.

Mittwoch, den 12.5.43, machten wir den Wettlauf. Alle 5 Lager waren auf der Jahnheide versammelt. Dann begann das Wettlaufen. Ich war immer bei den Siegern. Nachher mußten wir alle antreten und wurde gesagt, wer der Beste war. Zuerst kam Schubert, dann Bäckerwirt, dann Hotel am See, dann Fichteneck und dann Stöckel. Ich war die Beste von Fichteneck. Ich lief 9,4 Sekunden. Zuerst lief ich 9,7, dann 9,5 und dann 9,4 Sekunden. Dann wurden die 5 Mädel zur Hauptlagermädelführerin gerufen. Wir bekamen einzeln die Hand von ihr. Nun durften wir uns ein Lied wünschen, es hieß: "Alle Birkenzweige schwenken". Der spannendste Augenblick u. der feierlichste war der, als ich der HLMF Erna die Hand geben mußte. Das vergesse

ich nie in meinem Leben.

Sonntag, den 16.5.43, fuhr Sissi für 14 Tage nach Berchtesgaden in die Werksschule. Ich weinte den ganzen Vormittag. Sie hat selber geweint. Es war auch Muttertag. Wir hatten eine Feier in Ebensee. Sie wurde von den Kindern gestaltet. Nachmittags kam Hotel am See zu uns. Sie spielten uns was vor, u. dann wir. Ich spielte zum ersten Male mit. Sie sagten alle, ich hätte prima gespielt. Dann aßen wir wieder gut.

Dienstag, den 18.5.43, bekamen wir die 1. Rechenarbeit zurück. Ich hatte die beste von meiner Klasse mit einer eins. Wir sind auch gewogen worden. Ich habe 2 Pfund abgenommen. Ich wiege nur noch 50 kg. Darüber war ich sehr froh.

Dienstag, den 24.5.43, hatten wir Stubendienst. Betty war krank. Frl. Brock lobte uns abends, daß wir die Wäsche so fein u. ordentlich gemacht hätten. Als wir ins Bett gingen, stellten wir alle Betten

 

 

herunter. Dann erschien Frl. Brock. Sie schimpfte uns tüchtig aus. Aber in fünf Minuten hatten wir die Betten wieder übereinander stehen. Dann legten wir uns vor Wut mit dem Kopf ans Fußende. Dann machten wir noch Spaß. So, daß Schwester Elly noch mal in unser Zimmer kommen mußte.

Mittwoch, 26.5., mußten wir im Regen zum Hotel am See gehen. Als wir ankamen, waren wir ganz naß. Dann mußten wir wieder nach Hause, weil wir keine Handarbeit hatten. Davon bekam ich den Schnupfen. Dann war Mittagspause. Ich ging bei Gisela ins Bett. Wir machten die ganze Mittagspause Blödsinn und Quatsch, so daß wir nicht zum Schlafen kamen. Danach bekam jeder einen Spottnamen: Trudi, Zankapfel, Betty, Brüllochse, Margret, Blödhammel, Lieselotte, Melkeimer, Gisela, Traunskann,

Erika Kornem., Lachtaube, Erika Kaufm., Fluchhannes und ich Launenpeter. Abends machten wir wieder einen Heidenlärm.

Donnerstag, 27.5., bettelten wir Schwester Elly solange, bis wir nicht mit Hotel am See brausen gehen brauchten. Denn in einer Kabine sind 14 Mann. Das ist ja eine große Schweinerei. In der Mittagspause schlief ich. Trudi kam von der Toilette. Sie kribbelte mich mit einem Strohhalm in der Nase und im Ohr. Dann machte Margret u. Betty u. Trudi von jedem Kinde die Fehler nach. Dabei bekamen wir viel Spaß. Frl. Brock schimpfte mit uns; denn Erika Kaufm. sagte es ihr. Darüber war E.K. beleidigt und weinte bitterlich. Sie hatte noch eine wunderbare Schürze. Wir wollten sie anziehen. Aber wir hatten uns verrechnet. E.K. warf das Ding in die Ecke und fing wieder an zu heulen. Als Frl. Brock uns aufklärte, standen wir da und muß-

 

 

ten unser heftiges Lachen unterdrücken. Als sie hinaus war, lachten wir um die Wette. Gleich kommt Sissi wieder. Das ist eine Erlösung für uns. Hoffentlich bekommen wir Post. Gleich bekommen wir sicher wieder ein gutes Abendbrot. Jetzt ist Sissi da. Ich bin so froh. Das glaubt keiner.

Sonntag, 22.5., holten wir Soldaten von der Ostfront ab. Sie kamen auf Urlaub. Sie sollten um 10 Uhr da sein, aber sie waren erst um zwanzig vor 12 Uhr da. Sie wurden mit Blumen und Liedern empfangen. Ilse Kramer war ausgerissen. Samstag war sie wieder da. Ich war sehr froh. Denn ich liebe sie sehr. Ich kann höchstens eine Woche von ihr sein.

31.5.43 hatte ich Namenstag. Ich lag mit vielen Schmerzen im Bett. Es war ein regnerischer Tag.

1.6.43 lag ich noch immer im Bett. Abends bekam ich mein Namenstagspaket. Es war ein sehr schönes. Ich hatte sehr viele und schöne Sachen drin.

8.6.43 kam unser Direktor Scheffers. Er sah sehr mager aus, als er ankam. Am ersten und zweiten Abend aß er mit uns am Tisch. Das war herrlich. Danach bekam jeder ein Bonbon.

9.6.43 hatten wir schon wieder kein Englisch. Wir sind sehr weit zurück. Jetzt haben wir freie Beschäftigung. Heute abend muß ich zu Frl. Brock. Ich glaube, ich habe Mandelentzündung. Hoffentlich bekomme ich die Mandeln nicht herausgenommen.

8.6.43 durften Gisela Bohmeier, Lieselotte Kübeler und ich nicht unseren Rektor mit abholen gehen. Nachmittags mußten wir in die Hauptschule von Ebensee

 

 

gehen. Dort bekommen wir Filme vom Hirschkäfer, Libelle und vom Kohlweißling gezeigt. Im Physiksaal, wo wir waren, waren noch 6 Jungen. Danach mußten wir drei nach Fichteneck gehen. Die drei Jungen davon gingen hinter uns. Einer hatte ein Rad. Er fuhr mir damit auf den Fuß, so daß ich hinfiel. Alle lachten hell auf. Es war sehr schön. Denn wir unterhielten uns sehr lebhaft. Giselas Namen wußten sie bald, und dann fragten sie sie, (denn sie wollten absolut meinen Namen wissen) wie ich heiße. Gisela sagte es. Aber zum Glück hatten sie es nicht verstanden. Dann sagte Gisela, ich würde Eduard heißen. Das glaubten sie nicht. Dann sprangen wir vom Lager die Mauer hinunter, und ich verstauchte mir dabei den Fuß. Dann endlich, als wir in der Küche waren, kam die Kutsche, wo Fr. Brock, Frl. Doktor, Frl. von Wildscheck und Frl. Schmitz mit unserem Herrn Rektor [drinsaßen]. Wir begrüßten ihn. Dann besah er

sich unser Haus an.

11.6.43 hatten wir die 2 ersten Stunden Schule. Dann mußte Frl. Doktor fort. Dann kam Marion zu uns, und wir machten Werkarbeit. Dazu sangen wir lustige Lieder. Mittags bekamen wir 3 Teller Kartoffelsuppe. Dann bekamen wir 2 Buchteln mit Schokoladensoße. Das schmeckte, wie noch nie. Dann bekam ich Magenschmerzen. Ich bekam Berlinertropfen. Dann war Mittagspause. Wir schliefen sehr fest. Dann hatten wir eine Singstunde. Wir lernten "...jetzt gehts ins Feld", "Morgen marschieren wir zu dem Bauern", "Musketier sein lustige Brüder" und "Droben im Oberland". Ich konnte die Lieder alle. Dann hatten wir Aufgabenstunde. Ich machte mein Rechnen fertig und schrieb zwei Briefe und eine Karte. Die Karte war an Tante Johanna, die Briefe waren an Käthe Weihs und an Onkel Johann. Dann aßen wir. Nachdem wir gegessen hatten, machten wir mit Charlotte Spiele. Zuerst spielten wir

 

 

"Jakobinchen, wo bist du?" Ich kam mit Gisela Bohmeier zuerst dran. Charlotte kann mich anscheinend gut leiden. Sie lachten sehr über uns. Dann spielten wir Eckenraten. Auch hierbei durfte ich hinausgehen. Dann rief man mich herein. In der einen Ecke stand Edi. Ich wollte ihn zuerst heiraten. Aber ich dachte, es wäre ein anderer, und darum küßte ich ihn. In der 2. Ecke stand Ko.... Ich haßte ihn. In der 3. Ecke stand Dieter. Ich liebte ihn. In der 4. Ecke stand Gisela. Ich mußte ihr ein Küßchen geben. Alle lachten mich aus. Dann spielten Betty, Gertrud Klein und ich noch Berliner Freunde. Dann war Bettruhe. Als Charlotte hereinkam, spielte Trudi Frl. Doktor und Frl. Schmitz. Wir bekamen sehr viel zu lachen. Als Charlotte draußen war, machten wir wieder viel Blödsinn und Quatsch. Und so war wieder ein herrlicher Tag im Lager zu Ende.

12.6.43 hatten wir die ersten 2 Stunden

Werkarbeit. Dann hatten wir eine Stunde bei Frl. Doktor Geschichte. Dann hatte wir frei. In der Pause gingen wir im Hotel am See auf die Veranda. Hildegard Minbach, Marliese Erdmann, Trudy Huntemann, Betty Heidkamp, Gisela Bohmeier und ich waren da. Hildegard kann tanzen. Wir lernten es von ihr. Es war herrlich, die ganze Zeit zu tanzen. Nach der 1. Schulstunde gingen wir nach Fichteneck. Dort waren sie schon aufgestellt und hatten schon die Post. Ich holte mir auch meine Post. Ich hatte einen Brief von Kusine Anneliese und eine Karte von Dorli. Der Brief war vier Seiten lang. Ich habe mich sehr gefreut. Dann marschierten wir zum Bahnhof. Dort waren die Lehrerinnen und der Herr Rektor schon, denn er fuhr heute wieder nach Köln. Wir sangen das Lied "Wenn ich so an ming Heimat denke", als er mit dem Zug abfuhr. Alle Lager liefen dem Zug nach. Um ½ 3 Uhr mußten alle Lager im Hotel am

 

 

See zum Singen erscheinen. Davor hatten wir von ½ 2 - 2 Uhr Freizeit im Park. Dann marschierten wir ab. Bäckerwirt kam mit Verspätung an. Aber Erna, die am Tage zuvor zurückgekommen war, schimpfte nicht. Ilse Kramer weinte fast, als wir die Lieder sangen. Um ½ 4 Uhr waren wir entlassen. Draußen habe ich mit Erika Koch noch lange gesprochen. Es ist herrlich mit ihr zusammen zu sein und mit ihr zu reden. Ich finde es köstlich. Denn sie ist so lieb zu mir wie eine Schwester. Dann kam Ruth Desler. Ich bestellte ihr die Grüße von Dorli. Dann sagte sie: "Danke, bestelle ihr welche. Ich soll Dir auch viele Grüße von Dieter Heweker bestellen." Ich konnte es nicht fassen. Ich sagte zu ihr: "Ich glaube, er hat sich vertan." Sie lachte nur. Das bedeutet etwas. Dann marschierten alle Lager ab. Lore ging

wieder mit uns. Nun tranken wir Kaffee. Ich hatte 2 Schnitten, bekam aber von Sissi noch eine. Dann wurde Wäsche ausgeteilt. Bis viertel nach 5 hatten wir Stubendienst. Dann durften wir machen, was wir wollten. Um 6 Uhr mußten wir unsere Schuhe wichsen. Ich mußte zuerst noch eine halbe Stunde meinen Schuh suchen. Endlich fand ich ihn. Er stach in einem hohen Schuh. Dann gab es zum Abendessen Haferflockensuppe mit sehr viel Korinthen drin. Ich holte mir siebenmal einen Teller voll. Jetzt bin ich schon wieder richtig hungrig. Danach bekamen wir den Wehrmachtsbericht vorgelesen. Zum Schluß sangen wir noch die 2 Lieder, die wir morgen zur Morgenfeier singen. Dann gingen wir ins Bett. Wir bekamen keine Hand, weil sonst solche vielen Krankheiten entstehen würden. Das war bitter, denn da konnten wir Lore kein Busserl geben. Ich bin jetzt schon 12 Wochen im

 

 

13.6.43 haben wir Pfingstsonntag. Es regnete den ganzen Tag, darum blieben die drei Lager, wo sie waren. Wir hatten dann eine kleine Feier. Nach der Feier las Charlotte uns Geschichten von Karl May vor bis zum Mittagessen. Dann bekam jeder ein großes Wiener Schnitzel und einen großen Berg Kartoffelpüree. Auch hatten wir morgens ein Tellerchen mit 6 Plätzchen und 11 Bonbons. Als Nachspeise bekamen wir ein Stück Buttercremetorte. Dann war Mittagspause. Nachher bekamen wir wieder ein Stück Buttercremekuchen. Dann machten wir einen Ausmarsch. Ich brauchte nicht mitzugehen, weil ich meine guten Tage zum ersten Mal im Lager hatte. Wir schrieben in der Zeit. Abends bekamen wir kalte Platte. Dann war Zapfenstreich. Wir machten noch lange Blödsinn und Quatsch. Das war was für unsere Stube.

14.6. Heute ist Pfingstmontag. Es ist eine Bärenhitze. Von 10 - 12 Uhr hatten wir freien Ausgang. Wir holten Fritzi ab und gingen zum Strand vom Traunsee. Dort trafen wir Trudi, Lotty, Margret und Lieselotte. Margret u. L. gingen für sich. B., T., G., F. und ich gingen in ein Fischerboot. Auf einmal ging die Kette los. Zum Glück war eine draußen auf dem Rasen. Sie zog uns wieder ans Land. Dann rannten wir zum nächsten Boot. Fritzi war drin. Das Boot war ein bißchen vom Ufer entfernt. Lotty wollte noch hinein. Sie trat mit ihrem Fuß ins Wasser, zog ihn an sich, dann ließ sie ihn nochmals ins Wasser plumpsen und dann zu allerletzt zog sie den Fuß mit ins Boot. Wir lachten wie noch nie. Lotty hatte den ganzen Fuß naß, aber sie lachte doch mit. Dann gingen wir nach Hause. Wir kamen noch zur rechten Zeit. Bis 12 Uhr durften wir noch im Park spielen. Dann aßen wir zu Mittag. Wir mußten ganz schnell essen, denn unser

 

 

Schiff fuhr um 1.10 Uhr am Ebenseer Landungsplatz ab. Unterwegs mußten wir einen kleinen Dauerlauf machen. Als wir ankamen, war das Schiff schon an Ort und Stelle. Es war so voll, daß wir in die Kajüte gehen mußten. Ilse war auch mit ihrer Mutter und mit ihrem Bruder drauf. Ich konnte ihr noch nicht mal die Hand geben, so voll war es.