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KLV-Lagertagebuch Wolfgang Salthammer (Dänemark, 1943)

 Dieses als Tagebuch geführte „Lagerbuch“ wurde dem NS-Dokumentationszentrum im Jahr 1999 kurzfristig von Wolfgang Salthammer zur Verfügung gestellt. Damals bestand leider noch nicht die Möglichkeit, auf schnelle und finanzierbare Art und Weise Reproduktionen anzufertigen. Daher konnte lediglich ein Teil des Dokuments farbig reproduziert werden, während der Rest hier lediglich in Form herkömmlicher Kopien vorliegt.

Der Wuppertaler Schüler war Mitte 1943 in KLV-Lager „Dk 14 – Hotel Orgaard“ in Olsted/Seeland in Dänemark verschickt. Während seiner Lagerzeit kamen seine Eltern bei einem schweren Luftangriff auf Wuppertal im Juni 1943 ums Leben, wovon der Sohn in Dänemark erfuhr.

Das Tagebuch wurde laut Eintragung seit dem 20.07.1943 geführt. Es ist aber anzunehmen, dass sich Wolfgang Salthammer hier verschrieb und stattdessen den 20.6.1943 meinte. Ansonsten müssten die Einträge für die Zeit vom 20. Juni bis zum 20. Juli auf der Grundlage von Notizen nachträglich verfasst worden sein, was angesichts des in diesen Zeitraum fallenden Todes der Eltern eher unwahrscheinlich erscheint.

Lagerbuch

W. Salthammer

Tagebuch

Wolfgang Salthammer

aus dem KLV-Lager Dk 14
Hotel Orgaard in Olsted Seeland
Dänemark

begonnen: 20.7.43   beendet: [???]

20. Juni 1943 – 21. Juni 1943

Unsere Fahrt ins KLV-Lager in Dänemark

Am 20.6.43 mußten wir des Morgens um 11 1/2 Uhr am Bahnhof sein. Unser Zug brachte uns nach Düsseldorf, hier wurden wir eingeteilt. Um 3 1/2 Uhr kam der Sonderzug. Wir fuhren an Mühlheim um 16.10, Essen 17.10, Bochum 17.45, Langendreer 18.°°, Dortmund 18.15, Hamm 19.10, Oelde 20.30, Gütersloh 20.45, Bielefeld 21.10, Löhne 21.45, dort bekommen wir Verpflegung. Um 22.30 Uhr passierten wir die Porta Westfalica. Um 22.35 kamen wir durch Minden, Celle 23.15, Hannover 30 vor 1. Morgens um 6.30 hielten wir in Warnemünde. Dort bestaunten wir das große Fährschiff, das uns nach Dänemark, und zwar auf die Insel Jalster [bringen sollte]. Ich sah hier zum ersten Mal die Ostsee. Nach kurzer Zeit fuhren wir ab. Wir sahen zum letztenmal

deutschen Boden, bald sahen wir hinter uns im Nebel Deutschland verschwinden. Um uns war nur Himmel und Wasser. Auf dem Schiff sah ich zum letzten Mal meinen Freund Gert. Ich erfuhr auch, daß wir nach Olsted kommen. Wir landeten in Gedser auf Jalster, dann fuhren wir über die Brücke, die Jalster mit Seeland verbindet, und hielten in Kopenhagen. In Kopenhagen sahen wir viele Fahrräder. Von Kopenhagen fuhren wir nach Hillerod. Hier hatten wir eine Stunde Aufenthalt. Dann kam der "Rasende Elias" und brachte uns nach einigem Halten nach Olsted. An der Bahn wurden wir von den Lagermannschaftsführer abgeholt. Das Lager, das ich dann erblickte, machte einen guten Eindruck auf mich. Wir wurden noch in Stuben eingeteilt und gingen nach dem Abendessen sofort ins Bett.

22. Juni 1943

Wir wurden etwas später geweckt, da wir sehr müde waren. Nach dem Kaffeetrinken mußten wir unsere Personalien angeben und danach mußten wir unsere Spinde einräumen. Am Nachmittag kam unsere Schwester und untersuchte uns kurz. Ich kam auf Stube 5.

23. Juni 1943

Heute bekamen wir einen Dienstplan.

Dienstplan:

Kennwort: Kampf im Osten

8.°°                 Wecken
8.45               Stubendurchsicht
9.°°               Morgenappell anschließend Frühstück
10.°°-11.°°     Unterrichtung und Spiele
12.15             Mittagessen
13.°°-14.30     Bettruhe
14.45-16.30   Ordnungsübung
16.°°             Kaffee

16.45-18.°°     Ausgestaltung der Stuben
18.30            Abendessen
19.45-20.°°     Erzählerabend
21.°°             Zapfenstreich

Im Unterricht wurde unser Stand und Verhalten in Dänemark besprochen.

24. Juni 1943

Morgens bekamen wir zwei Decken, ich hatte eine eigene und bekam daher nur eine Einheitsdecke. Ferner bekamen wir ein Bettlaken. Nach der Bettruhe gingen wir zum Strand, ich fand einige Muscheln.

Nach dem Abendessen hatten wir Heimabend.

25. Juni 1943

Unsere Stube mußte Kartoffeln schälen. Wir konnten zwei Briefe nach Hause schreiben. Wir brausten. In der vergangenen Nacht war ein schwerer

Luftangriff auf Wuppertal-Elberfeld, meine Eltern fanden bei diesem Angriff den Tod. Meine Schwester Herta wurde schwer bombengeschädigt. Ich hatte schon einige Briefe nach Hause gesandt, aber nie eine Antwort erhalten.

[Es dürfte sich zumindest hier um einen Nachtrag vom 20.7.1943 handelt, dem Tag, an dem Wolfgang Salthammer nach Angaben auf der Titelseite begann, Tagebuch zu führen. Dem Eintrag ist der Ausriss der Todesanzeige der Eltern aus der Wuppertaler Tagespresse beigefügt.]

27. Juni 1943

Wir hörten, daß Montag die Schule beginne, abends war ich sehr müde, hatte Bauchschmerzen. Man holte den Sanni, da kam noch heraus, daß ich Fieber hatte. Auch kam der Hauptbannführer und Obergefolgschaftsführer Leeser. Wir hatten Kuchen bekommen.

28. Juni 1943

Morgens wurde wieder Fieber gemessen. Danach mußte ich aufstehen und mich anziehen. Ich wurde nun nach Kregme ins Revier gebracht. Ich lag dort kaum im Bett, da schlief ich ein.

29. Juni 1943

Ich hatte in der Nacht Durchfall. Ich war sechs oder sieben Mal auf dem Topf gewesen. Ich bekam daher nichts zu essen. Es war schrecklich, wenn ich zusehen mußte, wenn die anderen etwas zu essen bekamen. Nachmittags kam der dänische Arzt.

30. Juni 1943

Auch heute bekomme ich nichts zu essen, ich erfahre, daß ich Magen- und Darmkatarrh habe. Ich habe mich Fieber frei gehalten.

Abends bekomme ich Haferschleim.

1. Juli 1943

Heute bekomme ich etwas zu essen. Der Arzt sagte, daß ich morgen aufstehen dürfe. Wir haben eine junge, nette Schwester. Die alte war schwerhörig. Einmal fragten wir sie: "Haben Sie etwas zu lesen?" Sie antwortete: "Ja, es ist gleich vier Uhr."

2. Juli 1943

Heute morgen darf ich nur im Zimmer bleiben oder auf den Balkon gehen, von da aus sah ich ein Schwalbennest. Nach dem Essen spülte ich mit noch einem Jungen, der auch aufstehen durfte, das Geschirr. Am Abend sagte mir die Schwester, daß ich morgen nach Olsted käme.

3. Juli 1943

Morgens gehe ich an den Strand und suche Muscheln. Nachmittags kommt unser Lmf. und wir tippeln zurück nach Olsted. Nachmittags werde ich noch gegen Scharlach und Diphtherie geimpft und werde untersucht.

4. Juli 1943

Morgens beim Singen waren Kräne aufgelassen worden und das Wasser lief durch die Decke. Ein Junge klebte an die Türe der Stube, in der das Wasser niederfloß "Brauseraum - nur 5 Minuten benutzbar". Nachmittags gingen wir mit Leeser zum Sportplatz und die Handballmannschaft vom 2. Zug spielte gegen Kregme. Wir gewannen. Auch ich spielte mit. Abends lief der zweite Lagerabend vom Stapel, er

war besser als der erste.

5. Juli 1943

Heute war Vorbereitungen fürs HJL. Sonst nichts Besonderes.

6. Juli 1943

Heute wieder Vorbereitung fürs HJL. Wir mußten eine Skizze zeichnen. Wir bekamen KLV-Heftchen und Rätselecken.

7. Juli 1943

Wir trainierten für den 3000m-Lauf und liefen 100 m. Ich lief in 14,8 Sek.

8. Juli 1943

Heute mußten wir Kartoffeln schälen. Ein Kurier wurde nach Kregme geschickt und lud die Kregmer ein. Wir besorgten uns abends noch etwas Brot. Wir waren beim Friseur.

9. Juli 1943

Am Morgen bekam einer unserer Stube die erste Post. Er erzählte mir, daß Elbersfeld angegriffen worden sei.

10. Juli 1943

Wir brausten und hatten Wäscheabgabe. Danach war Gesundheitsappell.

11. Juli 1943

Vorbereitung für den lustigen Lagernachmittag. Zum Kaffee bekamen wir Kuchen und ein Sahneteilchen. Nachdem die Lager Kregme und Klinthohn angekommen waren, begann der lustige Abend. Wir hörten, daß die Amerikaner auf Sizilien gelandet seien.

12. Juli 1943

Abends ist Wochenbericht. Ich warte vergeblich auf Post.

13. Juli 1943

Nach dem Abendessen hatten wir Singstunde. Zwei unserer Stube hatten Streit, einer schlug dem anderen einen Zahn aus.

14. Juli 1943

Wir bekamen das Schauspiel "Kadetten" vorgelesen. Mir ist es unheimlich, fast alle haben Post, ich nicht.

15. Juli 1943

Ich erhalte nach dem Kaffee die Nachricht von dem Tode meiner Eltern. Der Lagerleiter tröstete mich. Nachher ging ich mit dem Lmf. spazieren, um zu vergessen.

16. Juli 1943

Ich war heute ganz verstört, ich hatte zu nichts Lust. Ich kann den Schmerz noch nicht befassen. Ich merke zum ersten Mal das Gefühl kennen, wenn man auf der Welt allein steht.

17. Juli 1943

Ich soll heute den 3000m-Lauf machen. Eigentlich habe ich ja keine Lust, aber da es ziemlich schönes Wetter ist, laufe ich mit. Ich lief die Zeit 12,4 und war fünfter. Die Lehrer sind in Kregme.

18. Juli 1943

Es ist Sonntag. Wir marschieren nach Kregme zu einem Singabend. Ich fand einen Seestern. Wir zogen die Kregmer auf und sangen viel besser.

19. Juli 1943

Heute ist Abnahme fürs HJL. Wir marschierten nach Kregme und sprangen 4,5 m und schwammen 10 Minuten.

20. Juli 1943

Ich schrieb einen Brief an Gert und an Herta. Heute stießen wir Kugeln, mit aller Anstrengung bekam ich 5,90 m heraus.

21. Juli 1943

Heute gingen wir baden. Die Lmf. sind in Kopenhagen. Sonst nichts Besonderes.

22. Juli 1943

Ich bekam aus Rodrig 2 Briefe von Huppertz. In einem Brief waren 5 Mark. Abends bekamen wir 6 Klümchen. Ich schrieb sofort an Luisa zurück. Ich dachte, es wäre ein Brief von Gert.

23. Juli 1943

Wir bekamen zu Mittag Kakao mit Grütze. Auch waren wir in Kregme. Ich habe Skat spielen gelernt. Habe an Tante Mieze geschrieben.

24. Juli 1943

Heute kommen die Lmfs. wieder. Wir werden gewogen. Ich wiege 78 Pfund. Nachmittags wurde gebraust. Als wir an der Reihe waren, war die Brause beschädigt.

25. Juli 1943

Heute war Baden und Sport. Ich bekam Sehnsucht nach Hause und fragte den Lagerleiter, ob ich nach Hause könne. Er sagte mit, ich soll es mir noch einmal überlegen.

26. Juli 1943

Ich hatte es mir nicht anders überlegt. Ich muß nun einen Brief an Liesa schreiben, ob sie mich aufnehmen und mein Vormund sein will. Abends höre ich, daß Mussolini abgetreten ist.

27. Juli 1943

Wir waren baden. Es war sehr schön. Wir lernten das Lied "Das Wasser läuft den Berg hinab, die Wolke treibt im Wind".

28. Juli 1943

Heute feiern wir unseren Monatstag. Wir machten ein Handball- und ein Völkerballspiel gegen Kregme und Klintholm. Wir gewannen. Wir hatten einen besonders schönen und ulkigen Dienstplan. Es wurde ein großes Plakat gemacht, darauf stand "Ein Monat Dänemark". Auf den Tischen lagen Blumen und wir bekamen leckere Sahneteilchen und Kuchen. Es war gutes Wetter.

Dienstplan vom 28. Juli 43

Börger!

För heute ist der Belagerungszustand verhängt! Die Schule bleibt bis up weiteres geschlossen!!!? Zur Ufrechterhalten von die allgemeine Ordnung, muß sich jüder an folgende Reglements halten.

8.°°     Erheben
9.°°     Frühschoppen
10.°°   Umhertraben
12.30   Labemahl
13.15   Mittagsschläfchen
15.°°   Turnfest
18.°°   Kaffeeklatsch und Magenfüllung
19.°°   Allgemeine öffentliche Zusammenkunftsversammlung
21.°°   Husch! Husch! ins Körbchen.

29. Juli 1943

Heute hatten wir Abnahme des HJL in weltanschaulicher Schulung. Einer aus unserer Jungenschaft fiel auf und wir wurden ausgeschlossen.

Dann spielten wir Handball und gingen baden.

30. Juli 1943

Morgens standen wir früh auf und fuhren nach Hillerod und besahen uns das Schloß Frederiksborg. Wir hörten auf dem Hof das Glockenspiel. Es war ein katholisches Lied "Lobet den Herrn". Auch trafen wir Volksdeutsche. Wir wurden von einem Dänen, der Deutsch sprechen konnte, geführt. Wir sahen den Versammlungssaal und den Himmelsgloben und anderes. Dann gingen wir nach Fredensborg. Unterwegs bekamen wir ein Eis. In Fredensborg sahen wir das Schloß und den schönsten Garten Europas. Auf der

Rückfahrt bekamen wir noch ein Eis. Müde und froh kamen wir an und schliefen bald ein.

31. Juli 1943

Mir ist es nicht gut. Heute schreibe ich an Herta und an Gert. Nachmittags bekommen wir Wäsche zurück. Ich falle auf.

1. August

Ich muß vom Baden zurückbleiben, da ich gestern auffiel und muß Schularbeiten machen. Ich bekam Bilder von Frederiksborg Slot.

2. August

Wir haben jetzt vollen Unterricht. Wir haben dazwischen eine Pause von einer halben Stunde. Heute bekommen wir eine Krone Taschengeld.

3. August

Wir gingen heute baden und ich bekam

einen Brief von Herta. Heute ist keine Schreibstunde. Wir bekommen einen Stundenplan.

4. August

Es regnete, darum war nicht viel los. Abends wurde Karten gespielt. Der Lmf zerriß die Karten.

5. August

Die Karten wurden wieder zusammengeklebt. Es regnet.

6. August

Heute machte ich Latein-Unterricht mit. Die Koffer kamen auf den Boden. Ich bekam einen Brief von Gert.

7. August

Vergangene Nacht war ein Gewitter. Es hatte gebrannt. Wir sollen am Sonntag geimpft werden.

8. August

Heute ist Ausgang, aber es regnet. Trotzdem gehe ich mit einigen Kameraden spazieren. Ich hörte etwas vom Jungenschaftswettkampf.

9. August

Ich bin heute UvD. Es wird viel gemeckert. Abends bekam ich noch ein paar Butterbrote von Frau Winkler.

10. August

Heute beginnt der Jungenschaftswettkampf. Bei der Stubendurchsicht hatten wir, geht also, 3.

11. August

Wir waren bei einem deutschen Bauern und durften Pflaumen pflücken. Als wir abends nach Hause kamen und eine Jacke aus dem Wandschrank

holten, läuft ihm eine Maus über die Hand. Wir jagten die Maus aus dem Zimmer auf den Balkon. Von dort sprang sie auf den Hof, wo wir sie erschlugen. Wir bauten unsere Stube um. Ich schrieb an Tante Clara.

12. August

Heute fällt die Schule aus, da wir geimpft werden. Ich bekam Post von Gert, Ruth, Herta und Karl-Heinz Eikhoff. In Hertas Brief war die Todesanzeige von Gertis Eltern. Ich schickte sie ihm.

13. August

Heute war Singwettstreit. Beim Pflichtlied standen wir an 5., beim gewählten Lied an erster Stelle. Im Ganzen standen wir an zweiter Stelle mit 7 Pluspunkten.

14. August

Ich bekam einen Brief von Tante Clara vom 8.8. Es war Wäscheausgabe.

15. August

Abends hatten wir Erzählwettstreit. Wir standen an 3. Stelle. Im Ganzen noch an zweiter Stelle mit 14 Punkten. Ich schrieb einen Brief an Herta und Liesa. Noch vor dem zu Bett gehen, bekamen wir ein Sahneteilchen.

16. August

Wir waren im Wald und machten Feldwachübungen. Es wurde aber abgebrochen, denn es regnete. Heute war der Wochenbericht. Wir standen an erster Stelle. Theo Middeldorf hatte die Sache geschmissen. Im Ganzen stehen wir an zweiter Stelle.

17. August

Abends war der Hindernislauf. Ich lief 2 Min. 5,5 Sek. Nachmittags war die Abnahme "Was jeder wissen muß". Es waren Fragen von Dänemark,

von Reichsleitern und Reichsministern. Ich bekam darin eine drei.

18. August

Abends war die Scharade. Wir standen an 5. Stelle, da sie von verschiedenen Dingen handelte. Ich schrieb an Liesa und Herta. Es kamen noch zwei Jungen aus dem Revier. Sie wurden ordentlich verlacht, denn sie waren großspurig. Wir holten keine "Kappessuppe" nach.

19. August

Wir stehen an 6. Stelle mit 32 Punkten. Nichts Besonderes.

21. August

Heute ist zweiter Monatstag. Nachmittags gingen wir spazieren. Kino fiel aus. Wir fahren morgen nach Helsingor.

22. August

Wir standen ziemlich früh auf, tranken Kaffee

und bekamen unsere Verpflegung. Dann fuhren wir mit dem Zug nach Helsingor. Zuerst hatten wir in Hillerod 1 1/2 Stunden Aufenthalt. Wir durften in die Stadt gehen. Dann fuhren wir durch nach Helsingor. Wir sahen unterwegs die dänische Küste. An der Bahn wurden wir von der Marineabordnung abgeholt und man führte uns zum Hafen. Dort zeigte man große Pötte und ein kleines Räumboot. Vom Kommandanten, einem Obersteuermannsmaat aus Wuppertal. Er lud mich ein. Dann gingen wir zur Kronborg. Die Mauern waren 4 m dick, es war eine alte Seefestung. Die Kirche war wunderschön. Viel war in deutsch geschrieben. Dann gingen wir weiter

in die Kasematten. Bald sahen wir riesig aus Stein gehauen den dänischen Barbarossa. Dann sahen wir einige Vorratsräume und einen Kerker. Als wir aus den Kasematten kamen, merkten wir, wie kalt es darin war. Dann fuhren wir mit einem Minensuchboot an die dänische Hoheitsgrenze heran und konnten die Küste mit der Stadt Helsingor gut sehen. An Land angekommen, marschierten wir nach einem Soldatenheim, dort bekamen 1/2 1 Flasche Milch und drei Teilchen. Danach bekamen wir 1 1/2 Stunden Ausgang, um uns die Stadt anzusehen. Ich ging aber zu dem Obstmm. Dort erfuhr ich von Wuppertal. Man holte soviel Teilchen, daß ich und der Obstmm. sie nicht aufbekamen und durfte noch

zwei Kameraden holen, die sie vertilgten. Ich werde diesen Tag nie vergessen.

23. August

Unsere Mäusezahl wird immer größer. Wir haben jetzt schon 6 gefangen. Es war Schreibstunde und wir bekamen Elternbriefe. Ich schrieb an Herta und Tante Mieze.

24. August

Heute war Sport. Ich sprang 4 m und stieß 6.30. Ich warte auf Post. Wir lernten das Lied "Klaus Störtebecker".

25. August

Es gab Erbsensuppe und Hauptgefschf. Leser kam. Nachmittags machten wir ein Geländespiel. Abends schrieb ich an Gert. Es gab eine halbe Schnitte mehr. Es ist nicht alles in Ordnung in Dänemark.

26. August

Ich bekam Post von Gert. Nachmittags war Sport. Ich habe das Knie verstaucht.

27. August

Wir spielten heute Handball. Sonst alles beim alten.

28. August

Wir bekamen Bilder vom Lagerleben. Ich spiele auf einem Skat. Wir fangen die 9. Maus.

29. August

Ich bekam heute den lang erwarteten Brief von meinem Onkel Josef. Herr Stegmayer bekam auch einen.

30. August

Obergefolgschaftsführer Leser und Hauptbannführer Teichmann war da. Wir hörten von dem Ausnahmezustand und daß wir vielleicht bald die Fahne hissen dürften. Mein Brief wurde mit

nach Kopenhagen genommen, denn Bahn und Post streikt.

31. August

Wir fingen heute die 10. Maus. Der ganze Schrank riecht nach Mäusen. Es war Sport. Ich hatte Küchendienst. Wir lasen aus Hitler-Junge Quex vor.

1. September 1943

Heute war wieder Sport und Lesestunde. Herr Stegmayer ist sehr freundlich zu mir. Ich warte auf Antwort aus Kopenhagen.

2. September 1943

Wir bekamen heute eine Krone Taschengeld. Es war Sport, ich übte den Salto und es klappte. Ich habe mir einen kleinen Sack ans Bett gemacht.

3. September 1943

Gestern abend wurde von den Dänen eine Scheibe zertrümmert. Darauf holten wir die Polizei. Er hatte schon Uniform an. Wir waren baden.

4. September 1943

Vergangene Nacht flogen viele Flugzeuge über uns hinweg. Es war Gesundheitsappell und Wäscheabgabe. Wir bekamen Seife und Zahnpasta. Ich bekam so etwas wie Ton, ich habe mir ein kleines Töpfchen gemacht, es wurde steinhart.

5. September 1943

Ich schrieb an Karl-Heinz Eickhoff. Wir mußten in der Freizeit Kartoffeln schälen; und so was am Sonntag. Wir lernten ein neues Lied: "Wenn wir durch die Stadt marschieren".

6. September 1943

Wir spielten heute Handball gegen Jungenschaft VI. Wir verloren mit 2:0. Es kam durch die Verteidigung.

7. September 1943

Heute morgen sagte mir der Lagerleiter, er habe Leser angerufen, der habe nichts gegen die Abfahrt, aber er könne mich nicht eher fahren lassen, wenn er auch eine Bescheinigung des Baubeauftragten für die KLV habe.

8. September 1943

Leser war hier. Wir durften auf den Sportplatz und spielten Handball. Etwas später sauste Leser mit Vollgas am Sportplatz vorbei.

9. September 1943

Wir waren auf dem Sportplatz. Das Essen war gut. Wir lasen abends im Bett noch Zeitung. Sonst nichts besondes.

10. September 1943

Lmf. Mackel ist allein da, Wimmer ist in Raageleje mit Leser. Wir hatten Lesestunde. Wir bekamen eine neue Küchenfrau. Habe den Finger verstaucht.

11. September 1943

Ich bin heute UvD. Unser Spülstein wurde kaputt gemacht. Am Montag soll Sportfest sein.

12. September 1943

Ich spielte Schach. Wir übten uns im Sport und im Singen. Und unsere Außenreviere sind schon sauber.

13. September 1943

Heute ist Sportfest. Am Morgen fand der 75m-Lauf, Weitwurf und Handballspiel statt. Wir gewannen alles. Mittagessen war gut, und zwar so gut, daß nichts mehr nachgeholt wurde. Nachmittags gewannen wir auch alles. Und waren im Ganzen Erster. Ich spielte beim Handball und Fußball mit.

14. September 1943

Ich mußte den Wochenbericht abends machen. Abends im Bett stritt ich mich mit Kerkhoff, danach weinte ich vor Wut.

15. September 1943

Heute morgen regnete es sehr stark. Nachmittags gingen wir tippeln und machten Entfernungschätzen.

16. September 1943

Unser Lmf. Mackel fuhr heute nach Raageleje. Herr Krüger fuhr nach Kopenhagen. Wir bekamen einen neuen Jungenschaftsführer.

17. September 1943

Während ich abends Skat spiele, kommt unser Zugführer vom 1. Zug und sagt mir leise, ich solle zum Lmf. gehen. An der Türe trat mir der Lmf. entgegen und da hörte ich, daß morgen ein Geländespiel starten solle und ich und noch zwei andere die Verbrecher seien.

18.9.

Heute morgen hängt am schwarzen Brett der Steckbrief (nachfolgend). Ich muß wegen Kopfschmerzen hierbleiben. Ich merke, daß einige wissen, daß ich ein Verbrecher bin. Als ich im Haus bin, ziehe ich mich schnell um und laufe zu den anderen. Schnell holen wir die Räder und fahren los. Als wir zum ersten Mal gesehen werden, wird einer, der mit der Kassette, gefangen. Bald darauf auch der zweite. Mich finden sie nachher in den Brennesseln.

STECKBRIEF!!!

In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages, gelang es 3 Banditen die Abwesenheit unseres wachsamen Kassenwächters auszunutzen und mit der Lagerkasse und den Lagerrädern zu entfliehen. Es wurden drei verdächtige Elemente am Nordausgang gesehen. Die Beschreibung ist folgende:

1. Mittelgroß, dunkelblond, auffälliger roter Pullover
2. Untersetzt, grauer Knickerbocker und weißer Schal (Ich)
3. Untersetzt, blond, Winteranzug, gelbes Tuch, Narbe über dem linken Auge. Sie läßt auf frühere Gewalttaten schließen und auf die Gefährlichkeit des Verbrechers.

Deshalb, Volksgenossen, "Vorsicht!" Stellt nur den Aufenthaltsort der Täter fest. Zur Festnahme sind bereits dänische, schwedische und norwegische Polizeibataillone alarmiert. Faßt die Diebe! Es geht um Millionen!

19.9.

Heute Nachmittag spielten wir Skat und ich gewann "32 Ore", bekam aber 3 10-Ore-Briefmarken. Also, daß ich einmal nach Hause schreiben kann. Ich bekam Post von Herta und schrieb an Liesa.

20.9.

Wir bekamen die Brücke mit einem Bericht

von unseren Lmfs. Ich erhielt einen Brief von Liesa.

21.9.

Heute ist Monatsfest. Im Eßsaal traf uns die erste Überraschung, elf Bilder hingen an der Wand. Wir bekamen gut zu essen. Am Nachmittag war Film, und am Abend war keine Stubendurchsicht.

22.9.

Heute kam der Lmf. Mackel wieder. Ich schrieb an Gert und Tante Mieze.

23.9.

Heute kam mal wieder Ob. Leser angeschneit.

Er sagte, daß morgen Herbstsportfest sei. Ich muß an Tante Clara schreiben.

24.9.

Heute ist Sportfest. Ich sprang 3,92, lief 9,5 und warf 45,0 m. Nachmittags suchte Leser 5 Mann für den Unterführerlehrgang. Ich bin dabei. Am Abend werden die Ergebnisse des Sportwettkampfes vorgelesen. Ich habe 190 Punkte, also über 180 und bekomme daher das Abzeichen.

25.9.

Es ist Wäscheausgabe. Ich bekam Brief von Liesa. Sonst nichts Besonderes.

26.9.

Ich schreibe an Liesa. Ich spielte heute wieder Skat und gewann 10 Ore.

27.9.

Am Nachmittag war Film, am Abend

bekam ich von den beiden Lmfs. eine Tracht Prügel.

Vom 30. Sep. bis 5. Okt. war ich krank. Ich hatte als höchstes Fieber 38,5 °. Ich bekam in dieser Zeit keine Post.

6.10.

Ich habe heute Geburtstag und bekam beim Kaffee Teilchen. Am Nachmittag bekam ich als Lagergeschenk 2 Kronen, von Herrn Stegmayer bekam ich als besonderes Geschenk eine Krone.

8.10.

Bekam von einem Jungen 6 Backpulver für 90 Ore in Fraederiksvoerk geholt. Einen verkaufte ich später an meinen Freund Theo.

10.10.

Waren heute spazieren. Als wir einen Bach

überqueren wollten, sprang Theo in die Matsche. Es war schön.

11.10.

Herr Stegmayer fuhr nach Kopenhagen. Daher war nur bis 10 1/2 Uhr Schule. Meine Turnschuhe sind beim Schuster. Habe wieder Rommé gespielt.

13.10.

Mutter hat heute Geburtstag. Ich ging mit einem Freund in den Wald, fanden dort eine große Höhle. Wo wir waren, war noch niemand gewesen.

[Hier bricht das Tagebuch ab.]

KLV-Lager "Hotel Orgaard" in Olsted (Dänemark)

Wolfgang Salthammer (r.) vor dem KLV-Lager "Hotel Orgaard" in Olsted (Dänemark)

Wolfgang Salthammer (Mitte) am Strand in Olsted (Dänemark)