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Die Kindheit von Dorothea Ließem im Bild (1938-1944)

Dieses Album, in dem ihre ersten sechs Lebensjahre fotografisch festgehalten sind, stelle Dorothea Hölzer (geborene Ließem) dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln dauerhaft zur Verfügung.

Das Album stellt eine Ergänzung zu dem großen Konvolut an Feldpostbriefen dar, die Hannes Ließem zwischen 1939 und 1944 an Frau und Kind in Bad Godesberg richtete. Sie sind hier komplett einsehbar. Außerdem erzählt Dorothea Hölzer an anderer Stelle ausführlich über ihre Familie, die Überlieferung und Übergabe der Briefe an sie und ihren Umgang mit dem schriftlichen und fotografischen Nachlass.

Unser Kind

Dorothea

St. Markusstift, 28. Juni 1938.

bä bä bä bä

Kommt ein Kindlein auf die Welt,
Fällt ein Stern vom Himmelszelt,
Springt ein Busch in Blüten auf,
Fliegt ein Vogel hoch hinauf,
Singt so weh,
Singt so süß
Von dem hellen Paradies.

Lacht das Kind zum erstenmal,
Rauscht ein Brummen aus dem Tal,
Eilt ein Kitzlein durch den Tann,
Eine Wachtel hügelan,
Ruft gar hell
Ihrer Brut:
Gottes Herz ist groß und gut.

Weint zum erstenmal ein Kind,
Kommt ein sanfter Abendwind,
Und ein Lilienstengel schön
Wird aus dunkler Erde gehn,
Und ein Tau
Fällt darein:
Trösten kann nur Gott allein.

Ruth Schaumann.

Am 28. Juni 1938 kam Dorothea im St. Markusstift zur Welt, und damit trat etwas ganz Neues, aber Schönes in unser Leben.

Ich muß für mich gestehen, daß es mir erst sonderbar erschien, daß nun ein solch quäkendes Bündel zu unserer Gemeinschaft gehören sollte und betrachtete sehr mißtrauisch unsere kleine Tochter, als sie mir zum ersten Male in die Arme gelegt wurde. Ich wußte noch nichts mit einem so kleinen Ding anzufangen und gab es schnell der Schwester wieder zurück. – Aber schon am nächsten Tage entdeckte ich liebe, kleine Eigenheiten, und ich erkannte, daß unser Kind ein Wunderkind war. Und ich glaube, dem Vater wird es wohl genau so ergangen sein. Unser Kind hatte blonde Härchen,

die sich schon sehr leicht zu einem eleganten und kühnen Hahnenkamm drehen ließen, eine ganz helle Haut, und wenn man Geduld und Glück hatte und noch ein wenig nachhalf, konnte man es unter den Augenlidern blau schimmern sehen. So viel stand bei allem fest: Mit der Mutter hat das kleine Ding gar keine Ähnlichkeit, und stolz und glücklich verbuchten die Knollenvierteler Großeltern und Tante Anna alle äußeren Merkmale unseres Kindchens auf ihr Konto.

Die Taufe.

Am kommenden Sonntag wurde dann aus unserm „Heidnischen“ Kindchen ein kleiner Christ: Dorothea. – Die Schwestern hatten alle die Kinder – es waren ihrer acht – aufs prächtigste geschmückt mit langen Kleidchen und

Dorothea im Taufstaat.

hellblauen u. rosa Bändern u. Schleifen.

Die beiden Paten waren:
Die Oma Becker u. Opa Ließem.

Leider konnte ich bei der Taufe nicht mit zur Kirche gehen; aber dafür war ja der Vater dabei, der zur Feier des Tages seinen feinen Brautanzug angezogen hatte.

Einzug ins Heim.

Am Freitag, dem 8. Juli fuhr Herr Mai gegen fünf Uhr beim Krankenhause mit seinem feinen, hellen Wagen vor, um Dorothea feierlichst ins zukünftige Heim zu steuern. Der stolze Vater nahm unsere kleine Tochter in die Arme, denn die Mutter war noch etwas schwach dazu, und dann lenkte Herr Mai seine Kutsche mit der köstlichsten Lade, die sie je trug, zur Elsa Brandströmstraße. Auf der Truhe waren die Kerzen angezündet u. davor lag aufgeschlagen die Lebensgeschichte der heiligen Dorothea aus „Helden u. Heilige“ v. Hümmler

Die Oma hatte den Kaffeetisch schon nett hergerichtet; aber zuerst mußten wir doch die kleine Dorothea hochleben lassen. Zur Feier des Tages hatte der Vater eine Pulle Sekt gestiftet. Herr Mai sprach den Trinkspruch, und dann ließen wir auf Dorotheechens Wohl das perlende Naß durch unsere Kehlen gleiten. Feierlich wurde unser kleines Mädelchen dann ins neue Bettchen gelegt.

In den nächsten Tagen bewies Dorothea, daß sie ein liebes, zufriedenes Kind sein wollte. Sie verschlief den ganzen Tag, und nur zu den Mahlzeiten mußte sie mit Gewalt geweckt werden. Am meisten freute es uns jedoch, daß sie nie unsere Nachtruhe störte und von abends bis morgens 7 Uhr durchschlief.

Der erste Spaziergang.

Einige Tage darauf spazierten wir dann mit unserer Tochter stolz durch die Straßen Bad-Godesbergs. Vati hatte sich in seinen besten Anzug geworfen u. Mutti mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu zeigen, wie schwer ihr das Gehen fiel. Aber um keinen Preis hätte sie darauf verzichtet, sich mit Dorothea „dem Volke zu zeigen“. Dieser Spaziergang war

für uns ein Fest und wir bildeten uns natürlich ein, jeder würde uns nun mit andern Augen ansehen und müßte unser „Wunderkind“ bestaunen.

Dorothea nimmt das Morgenbad.

In der ersten Zeit kam die Oma morgens um Dorothea zu baden; aber als ich in den Armen etwas kräftiger wurde, lernte auch ich dieses. Ich freute mich nachher jeden Morgen darauf. Unser Töchterchen fühlte sich recht wohl im Wasser. Nur wenn die kalte Dusche kam schrie es Mord und Brand; aber auch daran gewöhnte sie sich schnell.

Dorothea geht „zünftig auf Fahrt“, mit 3 Wochen.

Tagelang lachte die Sonne, und wir sehnten uns nach ihrer Wärme und nach Wasser (nur der Vati), Licht und Luft. Wir überlegten, was zu machen sei. Ich konnte noch immer nicht gut gehen und doch wollten wir den ganzen Sonntag im Freien verbringen. Eine Lösung war bald gefunden: Wir zogen mit „Kind und Kegel“ zum Rhein, lagen dort den ganzen Tag faul am Strand, spielten im Sand, ließen uns von der Sonne bestrahlen oder paddelten ein Stück den Rhein

hinunter. Onkel Mattes war nämlich auch dabei und hatte Zelt und Paddelboot mit.

Dorothea wurde im Wagen Strampelfreiheit gewährt, die sie mir aber einmal schlecht dankte: Sie lag ganz nackt da. Als ich nun von einer kleinen Paddelfahrt zurückkam und nach ihr sah, hatte sie ein dickes Häuflein gemacht, hatte mit den kleinen Fersen darin herumgewühlt und war schließlich zum Fußende des Wagens gerutscht und hatte den ganzen Rücken durch das herrlich riechende Gelb gezogen. Gründlich mußte sie gewaschen werden, aber in Zukunft band ich ihr immer eine leichte Windel um.

Dorotheechen „stemmt“ sich mit 8 Wochen zum ersten mal.

Beim ersten Weihnachtsfest
machten die Lichter dem Dorotheechen die meiste Freude. Es griff nach den Kerzen u. krähte vor Vergnügen. Und wir gar eine Wunderkerze anzündeten, war es nicht mehr zu halten, so drängte es darnach hin.

Die Geschenke, die es von Omas, Opas u. unseren Freunden erhielt, nahm sie freudig in Besitz.

Als Dorotheechen 6 Monate alt war

siedelten wir beide für 3 Wochen zur Tante Grete nach Pech über, zur Erholung. Dorotheechen, als kleinster Kurgast des „Mohrenhauses“, war sehr brav u. gewöhnte sich so schnell an Tante Grete, daß die Mutti vollständig Nebensache wurde. Es war aber auch zu schön da: morgens mein baden durfte das wilde Dingelchen so im Wasser platschen, daß das Wasser nur so umherspritzte u. der Boden vollständig überschwemmt war.

Auch mit Onkel Franz schloß Dorotheechen herzliche Freundschaft. Mit ihm mußte es sich auch gut halten, weil er es manchmal draußen spazieren trug u. man auch sonst schön mit ihm spielen konnte.

In Pech wurde Dorotheechen dann 7 Monate alt.

Die liebe Sonne meint es gut
und scheint so froh vom Himmelszelt.
Die Blümelein sie nehmen Mut
und kommen strahlend auf die Welt.
Sie leuchten lieblich rot und blau
und ’s Kindlein will sie alle sehn;
drum Dorotheechen acht genau
wie bunt sie auf der Wiese stehn.

Hurra! Das erste Zähnchen.

Mit 7 Monaten und 3 Wochen kam bei Dorotheechen das erste Zähnchen durch, das so lange mit großer Ungeduld erwartete, gerade, als sie für einige Zeit bei Oma Becker einquartiert war, weil die Mutti im Bett krank feierte. Tante Magda hat es zuerst entdeckt. Drei Tage darauf war das zweite Zähnchen da. Wann werden sich endlich die übrigen zeigen?

An Dorotheechen merkte man, wie die Oma versicherte, keine Veränderung während der „Zähnchenzeit“, sie war, wie immer, sehr lieb.

Allerhand Neuigkeiten lernte sie bei der Oma, bezw. auch von sämtlichen Onkels u. Tante Magda:
Beim „schmuseln“ rieb sie mit dem Stirnchen an der Stirne der zu „beschmuselnden“ Person.
Wenn ihr etwas nicht passte sagte sie „nein, nein“ während sie kräftig das Köpfchen schüttelte,
und so lernte sie noch „duckelen“, „nonnelen“ usw.

so groß ist das Kind!!

Auch diese graus’ge Tat soll hier beschrieben stehn,
daß Dorotheechens Kinder später können sehn,
wie ihre Mutter ‘s hat getrieben, da sie klein,
daß nicht sie kann erzählen meinen Enkelein,
sie sei das bravste Kind gewesen.
Doch, heute, nun beginnt zu lesen:

Dorotheechen saß auf hohem Tron,
(doch neben ihr kein Königssohn).
Sie sollte machen ihr „A-a“.
Nun höret, was alsdann geschah:

Derweil ich richt ihr Bettgestell
Dorotheechen wechselt ihr Plätzchen schnell.
Wollt länger nicht auf dem Trönchen sitzen
u. tat herab zur Erde flitzen - -

Ich trete ahnungslos ins Zimmer,
will lächeln mit Dorotheechen wie immer .....
Doch ach, ich werde starr vor Schrecken

 

 

Derweil sie lachend 2 Zähnchen tut blecken.
Den Blick kann ich nicht von ihr wenden,
ich wehr‘ ihr ab mit beiden Händen.
Sie hält siegreich mir ihr Fäustchen entgegen,
was denkt ihr, hat wohl darin gelegen?
Ihr Würstchen wars, sie tat es kräftig kneten,
Daß zwischen den Fingerlein der Brei konnt raustreten...

Doch pfui, genug, ihr riecht’s ja schon -
Dafür gab es auch süßen Lohn.

Ihr zweifelt nun am braven Kind?
Seht zu, daß ihr ein liebres find’t!!

24.4.39

Noch einige „vergessene“ Bildchen

Unser Kind

Dorotheechens erste Gehversuche an den Stühlen um den Tisch. (9 Monate)

Mit 9 Monaten begann Dorotheechen ihre Gehversuche. Wie oft fiel sie dabei hin, krabbelte sich wieder hoch u. versuchte von neuem.

Endlich, mit 11 Monaten, durchquerte sie zum ersten Mal das Wohnzimmer,

und von da an machte sie schnell Fortschritte. Bald schon war es so, daß vor ihr nichts mehr sicher war. Man durfte sie keine Sekunde aus den Augen verlieren, sonst hatte sie schon wieder schnell etwas angerichtet. Sie räumte den Küchenschrank aus, daß die Töpfe klirrten, der Inhalt sämtlicher Schubladen, an die sie heranreichte, flog auf die Erde, und das Schlimmste: sie entwickelte ein wahres Talent zum Verstecken von Schlüssel. Wie viel Zeit haben wir oft aufgewandt, um einen Schlüssel zu suchen, der „spurlos verschwunden“ war.

Im Juni 1939 war Tante Else mit dem kleinen Helmut u. unserem Patenkindchen Helga in Godesberg zu Besuch. Es war so nett, wie die beiden „Großen“ zusammen spielten; besonders hatte Vatis Klampfe es ihnen angetan, die sich Helmut schon kunstgerecht um den Hals hing. Und wir andern waren froh, daß die beiden sich, wenn auch nur für kurze Zeit, mit der „Musik“ beschäftigten u. auf der Couch sitzen blieben, weil wir Vatis Namenstag feiern mußten.

Vati wird Soldat.

Ende August 1939 wurde Vati als Soldat eingezogen u. wir, Dorotheechen u. Mutti, blieben allein zurück. Das heißt, Dorotheechen wohnte vom Urlaub her noch bei der Oma, und so blieb sie jetzt auch dort. Tagsüber war ich auch in der Burgstraße, aber abends ging ich nach Hause. Und so haben wir Anfang September die nebenstehenden Bildchen machen lassen u. Vati „ins Feld“ geschickt, damit er immer eine liebe Erinnerung an uns „Zurückgebliebene“ hätte.

Hurra, Vati kommt in Urlaub.

Welch großes Ereignis, als Vati Ende September für 1 ½ Tage uns besuchte u. Dorotheechen ihn gleich erkannte. Sie konnte sich nicht von ihm trennen.

Aber als er Anfang November für fünf Tage Urlaub hatte war es noch schöner. Mit dem Jubelruf „Vati“ stürzte sie sich auf ihn und war nicht mehr von ihm weg zubringen. Er mußte sie halten, er mußte sie füttern, er mußte sie ins Bettchen legen, ja, der arme Vati durfte noch nicht einmal zum Klosett gehen, ohne daß sie ein fürchterliches Geschrei erhob. – Sogar die Oma, die doch Dorotheechens ein u. alles war, war für diese Tage enttront.

Aber als ich am ersten Morgen nach Vatis Urlaub dann wieder alleine kam, war Dorotheechen ganz außer sich. Sie schrie nach Vati und war ganz untröstlich. Tagelang lief sie, sobald es klingelte, nach der Türe, weil sie meinte, er käme zurück.

Seitdem hatte Dorotheechen eine Vorliebe für Soldaten. Wenn wir auf der Straße hinter einem Soldaten hergingen, war sie nicht mehr zu halten. Sie riß sich los, lief auf den Mann zu, umklammerte seine Beine u. rief „Vati!“. Wenn sie dann sah, daß er ein Fremder war, weinte sie fast u. sagte wohl zehn mal leise vor sich hin „Vati!“

Als Vati uns einmal eine Gruppenaufnahme von sich und einigen Kameraden schickte, fand Dorotheechen in gleich heraus u. gab ihm viele Küßchen.

Dies alles tat unserem lieben Vati recht gut u. es „schwoll sein Herz vor Vaterstolz“.

Dorotheechen kommt wieder nach Hause.

Am 15. November 1939 kam Leni als Pflichtjahrmädel zu uns, und Dorotheechen zog zum Leidwesen Omas und Opas wieder zur Mutti. Wie froh war diese, daß sie ihren „Tatz“ wieder um sich hatte.

Und erst einmal die freudige Überraschung für Vati, als er wenige Tage darauf in Urlaub kam und Dorotheechen zu Hause fand. Eine größere Freude hätten wir ihm garnicht bereiten können. –

Anderntags benutzten wir gleich die Gelegenheit und machte eine Reihe Bilder von Dorotheechen im eigenen Heim und in den verschiedensten Stellungen.

Und Dorotheechen ließ sich alles gefallen u. war froh, daß „wir Drei“ wieder zusammen waren.

Schon in den ersten Tagen entwickelte Dorotheechen richtige hausmütterliche Fähigkeiten; besonders Freitags, dem allgemeinen Putztag war sie so recht in ihrem Element. Immer wollte sie „abeide“, u. wir mußten ihr manchmal dringend anraten, sich doch etwas zu „schonen“. Sie lief uns nämlich immer um die Beine herum, sodaß wir mit keiner Arbeit weiter kamen. Ihr liebstes Spielzeug waren: Besen, Staubtuch, Staubsauger, Handfeger usw. Wie oft lag sie in ihrer ganzen Länge auf dem Boden, um diesen „blank“ zu reiben. Auch die Kissen konnte sie fein bürsten und die Schränke abstauben.

Dorotheechens Wirkstätte!

Spieglein, Spieglein an der Wand .......

Dorotheechen ist eine kleine Eitelkeit. Wenn sie etwas Neues bekommen hat, oder wenn ihr auch Muttis Hut oder sonst etwas in die Fingerchen gerät, gleich verlangt sie nach „Piel“ (Spiegel). Alles mögliche hängt sie sich um, und dann müssen wir sie vor dem Spiegel hochheben. Und wenn sie dann ihr kleines, liebes „Ich“ erblickt, kann sie sich nicht genug verwundern, und manchmal gerät sie in helles Entzücken über ihr eigenes liebes Bild. Kürzlich habe ich verschiedenes für sie eingekauft. Da mußte ich ihr, als ich ihr die Herrlichkeiten zeigte, eines der neuen Schühchen, eines der neuen Pantöffelchen und den neuen Schal anziehen. Den neuen Schlafanzug legte sie sich über den Arm, u. so lief sie den ganzen Abend herum und wollte sich nicht von den Sachen trennen.

Kriegsweihnacht 1940

Unsere erste Kriegsweihnacht haben wir wider Erwarten noch so schön gefeiert. Ganz überraschend kam abends noch der Vati in Urlaub, und so wurde es ein schönes Fest.

Dorotheechens Puppe Ursula brauchte so nötig ein Bettchen, und so hatte das Christkindchen einen kleinen Puppenwagen unter den Lichterbaum gesetzt. Und die kleine Puppenmutter konnte nun wenigstens ihr Kind zum Schlafen legen. Am ersten Abend besorgte sie dies wohl fünfzig mal.

Aber auch sonst brachte das Christkind fürs Dorotheechen die schönsten Dinge zu den Omas, Opas und zu unserer Leni.

Dorotheechens Namensfest
feierten wir am 6. Februar.

Die Mutti hatte ein Bild der heiligen Dorothea aufgestellt mit einem kleinen Kerzenleuchter davor, der sich aber bis mittags schon unter Dorotheechens „fachkundiger“ Hand in mehrere Teile aufgelöst hatte.

Die Omas kamen mit Geschenken. Oma Becker brachte einen Bild des Schneewittchens für übers Bettchen und vom Opa ein Armkettchen. Dort unten sieht man Puppe Hildegard, von Dorotheechen genannt „Hitatak“, das Geschenk von Oma Ließem.

Vati schickte sogar eigens einen Glückwunsch. Dorotheechen fühlte ganz, das dies ein besonderer Tag für sie war und fühlte sich als Königin des Tages.

6. Februar 1940

Liebes Dorotheechen!

Aus dem Krieg wünscht Dir Dein lieber Vati alles Gute und vieles Schöne zum Namenstag. Du mußt immer schön brav bleiben und der lieben Mutti auch immer schön folgen; sonst ist der Vati traurig.

Ein herzliches Namenstagsküßchen
Dein Vati

Liebes Dorotheechen!

Der Vati wünscht Dir ein recht frohes und schönes Osterfest. Die liebe Mutti wird auch schon dafür sorgen, daß es Dir eine rechte Freude wird. Und erst einmal der Osterhase!!! Oh‘ der wird Dorotheechen sicher was Feines bringen. Du mußt dafür aber auch immer schön brav sein, die Mutti ganz gern haben und ihr immer folgen. Dann ist der Vati froh. Ein kleines Küßchen
Vati!

Ostern 1940

So schnell nahte das Osterfest. Wie schön hatten wir es uns früher so oft ausgemalt, wenn Vati und Mutti mit Dorotheechen zusammen im Garten die Ostereier suchen wollten. – Aber Vati war Soldat und hauste im „finstern Wald“, und Mutti wollte ihn über die Feiertage ganz heimlich besuchen.

So besuchte uns der Osterhase schon am Gründonnerstag, und Dorotheechen fand seine Gabe nach langem Suchen endlich hinter dem großen Krug. – Dann wurde sie noch am selben Abend zur Oma Becker einquartiert.-

Wie freute sich der Vater, als Mutti ihm von Dorotheechens großen Fortschritten im Sprechen erzählte, gab es doch mit ihren 21 Monaten kaum ein Wort, das sie nicht nachplapperte.

Die Leo-Pillen.

Was steht denn dort in Muttis Schrank?
‘ne Schachtel ist es, weiß und blank.
Drin scheinen ja Bonbons zu sein.
„O, liebe Mutti, gib mir ein.“

„Nein Liebchen, das sind Leo Pillen,
und hast Du die im Bäuchelein,
dann kommet Dir ganz wider Willen
ritsch-ratsch, ein schnelles Häufelein.“

Doch Dorotheechen will nicht hören,
sie ließ sich vom „Bonbon“ betören
und trachtet jetzt mit allen Sinnen
dies Zuckereichen zu gewinnen.

Kaum hatte Mutti sie verlassen,
schnell kriegt die Pillen sie zu fassen.
Schon sausen mit viel Wohlbehagen
die kleinen Pillen in den Magen.

Bald Dorotheechen geht zu Bett
das Mittagsschläfchen zu verrichten.
Sie legt sich hin ganz still und nett,
und Mutti dacht noch nicht ans Dichten.

 

‘ne Stunde drauf, hört was geschah,
schrie Dorotheechen laut „aa,
o, Mutti, ich muß zum Klosett,
o hilf mir doch, o sei so nett!“

Die Mutti stürzt ins Schlafgemach
und denkt: „Na, ist das Kind schon wach!“
Dorotheechen wollt sich grad erheben,
da schlägt ein Duft mir scharf entgegen.

Im Augenblick weiß ich Bescheid,
die Überraschung geht zu weit.
Mit breiten Beinen steht sie da
zeigt auf das Höschen, ruft „aa“.

Wir schleppten sie zur Badeklause,
schälten aus Kleidern sie heraus
und öffneten die liebe Brause. - - -
Das Leo-Pillen-Spiel ist aus.

16.4.1940

Leo-Pillen

Als Vati und Onkel Hubert während des Krieges zusammen Pfingsturlaub hatten, haben wir mit allen Kinderchen, Dorotheechen, Helmut und kl. Helga, einen gemeinsamen Spaziergang durch unsern schönen Park gemacht und für die Vatis zur „steten Erinnerung“ einige Bildchen geknipst.

Vatis nächster Urlaub war 3 Monate später, als der Krieg gegen Frankreich schon beendigt war. Das Wetter war so schön, da sind wir viel spazieren gegangen. – Kaum war Dorotheechen morgens aufgestanden, war sie auch schon am Fenster, um „die Luft zu prüfen“. Schnell waren wir gewaschen und angezogen. Und nachdem wir gemütlich gefrühstückt hatten, zog es uns drei hinaus zum Morgenspaziergang. Vati war froh, daß er mit seiner Familie noch einmal zusammen war u. fühlte sich glücklich, daß ihm an der Rechten die Mutti und an der Linken sein liebes Dorotheechen „baumelte“.

Bei Tante Grete in Pech.

In „unserm“ Garten mit Oma Schwarz und Tante Fuchs.

Mit Paula u. Kläuschen Düren.

Dorotheechens Puppenreichtum ist
groß und wächst immer noch an. Sie hat viel Mühe mit all den Kindern u. pflegt sie mit großer Hingabe. Jede Mutter weiß ja, wieviel Arbeit eine solche Kindererziehung bedeutet: Da hat Michael die Windeln naß gemacht u. muß trocken gelegt werden, Ursula muß zum Klosett, Hildegard hat sich weh getan, Peterle war ungezogen u. muß Haue haben, Lieselchen muß gefüttert werden, usw. usw. Wenn Dorotheechen mittags alle Mutterpflichten erfüllt hat u. die „Kinder“ versorgt sind, sinkt sie erschöpft auf die Couch, u. Mutti ist froh, wenn sie endlich Ruhe hält und einschläft.

Weihnachten 1940

So nahte Dorotheechens drittes Weihnachtsfest heran, und Vati war noch immer Soldat. Aber auch in diesem Jahr konnte der Vati wider Erwarten bei uns sein, und dies war das schönste Geschenk des Christkindleins an uns. Der Vati brachte sogar vom Christkind aus Frankreich ein Telefon mit, u. es war so schön, daß man richtig von einem Zimmer ins andere telefonieren konnte. Die Mutti hatte eine Bauernwiege gemalt, u. was alles die Onkels u. Tantens u. die Großeltern schenkten kann man garnicht aufzählen. –

Bitte, freundlich lächeln!

Dorotheechen ist unter die Fotografen gegangen; sie hat nämlich von Vati einen kleinen Fotoapparat bekommen. Könnt ihr euch denken, wie wichtig eine solche Aufgabe ist? Erst muß sie sich dies Ding einmal so richtig ansehn, und dann ist ein „Motiv“ schnell gefunden: die ahnungslose Mutti. Geheimnisvoll legt sie das Fingerchen aufs Mündchen und sagt zum Vati hin: „Pscht, nicht, daß Mutti merkt, daß Dorotheechen sie fotefiert.“ Und dann ist der richtige Augenblick da......

„Unsere“ Tante Gretchen u. Dorotheechens besondere Freundin. (links)

Mai 1943

Rußland, Italien bis Sizilien.

Dieses Bildchen begleitete Vati durch den ganzen Krieg
(Belgien, Frankreich, Holland.

Der erste Schultag im August 1944
wenige Tage vor Vatis Tode.

Vati 1939

Mai 1943

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